Kündigen ohne gerichtliches Nachspiel – das wird zu einer immer größeren Herausforderung. Anfechtungen wegen Sozialwidrigkeit werden in Anbetracht der tristen Arbeitslage für ältere Arbeitnehmer schon fast zur Regel. Das plötzliche Aufpoppen eines besonderen Kündigungsschutzes ebenso. Wer schlau ist, sorgt vor.

Können wir eine 45-jährige Sachbearbeiterin noch kündigen? Dürfen extreme Krankenstände als Kündigungsgrund genannt werden? Sollen wir vor oder nach der Kündigung über eine einvernehmliche Auflösung verhandeln? Wie können wir unsere Position in einem drohenden Rechtsstreit vorher absichern?
Diese Fragen stellen sich viele Arbeitgeber, manche davon leider zu spät, nämlich nach Ausspruch der Kündigung. Damit sind wir schon beim ersten Fehler im Zusammenhang mit „heiklen“ Kündigungen: Der Rechtsberater wird zu spät eingeschaltet. Wer kündigt, ohne auch nur irgendwelche Aufzeichnungen über Verfehlungen und Abmahnungen im Personalakt zu haben, ohne sich informiert zu haben, ob einige mehrwöchige Krankenstände als Grund reichen, wer mit dem Mitarbeiter über eine einvernehmliche Beendigung verhandelt und kurz danach einen Elternteilzeit-Antrag im Postfach hat – dem kann nur mehr deutlich schwerer geholfen werden.
Regel Nummer 1: Sie sollen wissen, wann Gefahren drohen.
Regel Nummer 2: Sie sollen dann, wenn Gefahren drohen, Ihren Rechtsanwalt kontaktieren, bevor Sie die Kündigung aussprechen oder in Aussicht stellen.
Regel Nummer 3: Sammeln Sie Beweise.
Regel Nummer 4: Seien Sie ehrlich zu sich, übertreiben Sie die Probleme nicht.
Regel Nummer 5: Erwägen Sie eine einvernehmliche Beendigung.
Wann besteht also ein Risiko?
Kündigung älterer Arbeitnehmer
Der häufigste Fall ist die Anfechtung einer Kündigung wegen Sozialwidrigkeit – möglich ab 6 Monaten Zugehörigkeit zu einem Betrieb mit mindestens 5 Arbeitnehmern (außer der Betriebsrat hätte der Kündigung zugestimmt). Damit versucht der Arbeitnehmer, die Kündigung rückgängig zu machen, mit dem Argument, ihn treffe sie besonders hart. In der Gerichtspraxis kommt es auf die Jobaussichten an, was natürlich eng mit dem Lebensalter des Arbeitslosen zusammenhängt. Das Gerücht, ab 50 werde es heikel, hat sich überholt. Auch 45-jährige können schon von ausreichend langer Arbeitslosigkeit bedroht werden, um ihre Kündigung als sozialwidrig darstellen zu können. Die Vorab-Prognose fällt schwer, entscheiden wird der gerichtliche Sachverständige.
Dennoch kann der Klient selbst oft gut abschätzen, wie leicht der ehemalige Mitarbeiter einen neuen, vergleichbaren Job finden wird. (Einkommenseinbußen von ca. 15%, bei Besserverdienern auch mehr, werden toleriert.) Der Arbeitgeber kennt die Branche und vor allem den Lebenslauf des Gekündigten. Hält er für möglich, dass die Arbeitssuche länger als rund 9 Monate dauert, sollte er die Kündigung nicht auf die leichte Schulter nehmen. Vielmehr muss er gute Gründe für die Trennung haben. Das Arbeits- und Sozialgericht muss zu dem Ergebnis gelangen, dass dem Arbeitnehmer die (lange) Arbeitssuche eher zumutbar ist als dem Unternehmer die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses. Bei dieser Gretchen-Frage sollte er Experten-Rat einholen.
Kündigung aus verpöntem Motiv
Ein weiteres Risiko besteht dann, wenn der Kündigungsgrund ein „verpöntes“ Motiv ist, wenn man etwa jemanden los werden will, weil er allzu oft und ohne Erfolg die Abrechnung kritisiert hat oder Fehler im Arbeitnehmerschutz. Ob ein Kündigungsgrund „verpönt“ ist, ist Rechtsfrage und daher auch von Rechtsexperten zu klären. Dem Arbeitgeber hilft die Test-Frage: Wollen wir die Person kündigen, weil sie Ansprüche geltend macht (die nicht völlig aus der Luft gegriffen sind), und die wir ihm verwehrt haben? Dann liegt ein Risiko vor. Solange Sie keinen anderen Kündigungsgrund haben, der das verpönte Motiv in den Hintergrund drängt, ist Ihnen von einer derartigen Kündigung abzuraten.
Kündigung bei besonderem Kündigungsschutz
Schließlich drohen auch dann ungewollte Konsequenzen, wenn man gegenüber einem Mitarbeiter die Trennungsabsichten offen legt, der möglicherweise Chancen auf einen besonderen Kündigungsschutz hat. Wer körperlich oder geistig angeschlagen ist, kann unter Umständen die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigt Behinderten erfüllen. Beantragt er die Feststellung dieser Zugehörigkeit, bevor die Kündigung ausgesprochen ist und wird sie ihm (rückwirkend) zuerkannt, scheitert ab der Antragstellung die Kündigung. Der Arbeitnehmer kann auf Feststellung der Nichtigkeit der Kündigung klagen oder auf Kündigungsentschädigung.
Ähnliches kann bei Personen geschehen, die ein kleines Kind haben. Sie können vor Kündigungsausspruch Elternteilzeit beantragen (nicht selten wird eine geringfügige Reduktion der Arbeitszeit, z.B. von 38 auf 35 Wochenstunden begehrt) – und sind kündigungsgeschützt. Dazu brauchen nicht einmal die Voraussetzungen für den Anspruch auf Elternteilzeit (insbesondere: 3 Jahre Zugehörigkeit, Betrieb mit 20 Arbeitnehmern) vorliegen – schon der Antrag auf „kleine“ (zu vereinbarende) Teilzeit schützt vor der Kündigung.
In derartigen Situationen hilft nur eines, nämlich ein recht unfreundlicher Akt: Die Kündigung rechtzeitig aussprechen, ohne sie schon angekündigt oder auch nur angedeutet zu haben, und allenfalls danach über eine einvernehmliche Auflösung verhandeln. Die Erfahrung zeigt, dass auch gegenüber Kollegen Diskretion gewahrt werden sollte – nicht selten erfährt der zu Kündigende von ihnen, was ihm droht. (Hat das Unternehmen einen Betriebsrat, der vor der Kündigung verständigt werden muss, lässt sich allerdings so gut wie nicht verhindern, dass der Arbeitnehmer über diesen Umweg von den Kündigungsplänen erfährt. Es kommt vor, dass Betriebsräte die Arbeitnehmer informieren und diese rechtzeitig Anträge stellen, die zum besonderen Kündigungsschutz führen.)                                                                                                                 
Zurück zum häufigsten Fall, der Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit, und
Regel Nummer 3: Sammeln Sie Beweise, vor allem bei personenbezogenen Kündigungsgründen.
Dokumentation personenbezogener Kündigungsgründe
Diese unterscheiden sich von den betriebsbedingten Kündigungsgründen dadurch, dass sie in der Person des zu Kündigenden liegen. Dies muss dokumentiert werden, will man im Anfechtungsprozess Erfolgschancen haben.
Ein Arbeitnehmer, der immer langsamer, schlampiger und / oder unfreundlicher wird – der fällt nicht erst in der Woche des Kündigungsgesprächs auf. Es wird Kollegen geben, die leiden, Kunden, die sich ärgern, Umsatzzahlen, die zurückgehen, Fehler, die passieren. Nicht selten erzählen Personalleiter überzeugend, wie schlimm die Zusammenarbeit war – doch kaum je sind sie diejenigen, die mit dem Gekündigten direkt arbeiteten.
Böse Überraschungen bei der Zeugenvernehmung lassen sich vermeiden, indem die Führungskraft brav dokumentiert, was über Monate an Problemen (und Problemlösungsversuchen!) zusammenkam. Dazu gehören protokollierte Mitarbeitergespräche und Abmahnungen. Immer wieder stellen sich Vorgesetzte als zu schwach oder überlastet heraus, weshalb sie den unliebsamen, später gekündigten Mitarbeiter mit den Vorwürfen niemals konkret konfrontiert haben. Machen Sie dem zu Kündigenden also in ernsten Gesprächen klar, was Sie von ihm erwarten, und vergessen Sie nicht die Beobachtung fortzusetzen. Eine für den Mitarbeiter völlig überraschende Kündigung ist kein guter Start in den Prozess: Bei deutlicher Drohung mit Konsequenzen hätte sich der Kollege ja vielleicht gebessert?
Als (zukünftige) Zeugen sind auch alle anderen Mitglieder des Teams aufgerufen. Sie sollten nicht erst bei Gericht beschreiben, was passiert ist. Da kann sich nämlich herausstellen „dass es nicht so schlimm war“ oder „er schon eigen ist, es hat aber meistens ganz gut funktioniert“. Wenn dem so war, sollte die Geschäftsführung das vor der Kündigung wissen. Liegt schon nichts im Personalakt, sollte die Personalabteilung wenigstens kurz vor der Kündigung Zeit investieren, die Kollegen, Vorgesetzten, sonstigen Betroffenen im Vorfeld zu befragen, und darüber Notizen zu verfassen. Machen Sie ihnen aber klar, dass sie ihre Angaben notfalls vor Gericht unter Wahrheitszwang wiederholen müssen – Aufbauschen ist unerwünscht. Derartige Aufzeichnungen sind ein Fundus für den Rechtsanwalt, der zunächst die Chancen im potenziellen Rechtsstreit bewerten muss und die Notizen allenfalls später zum Aufbau seiner Strategie verwenden kann. Zusätzlicher Vorteil von Eidesstattigen Erklärungen der Mitarbeiter: Die Erklärung hält die Erinnerung frisch, die späteren Zeugen können in ihren eigenen früheren Notizen nachlesen.
Dokumentation bei betriebsbedingten Kündigungsgründen
Ein betriebsbedingter Kündigungsgrund wie insbesondere die Entscheidung, einen Arbeitsplatz ersatzlos zu streichen, lässt sich hingegen in aller Regel einfach durch die Aussage des Geschäftsführers / Vorstand beweisen. Das Gericht darf die Sinnhaftigkeit der Entscheidung nicht hinterfragen. Nur wenn die Ersparnis minimal wäre, könnte es weitere Nachforschungen anstellen. Natürlich dürfen Sie den Posten während der Dauer des Gerichtsverfahrens nicht nachbesetzen – das würde den Kündigungsgrund zunichtemachen. Was Sie hier keinesfalls übersehen dürfen, ist die soziale Gestaltungspflicht, die Sie vor der Kündigung einhalten müssen: Sie müssen dem Arbeitnehmer Alternativen anbieten, sei es eine Versetzung (mit allfälliger Ein- / Aufschulung), sei es eine Fortsetzung bei reduziertem Gehalt. Stellt sich im Verfahren nämlich heraus, dass die Kündigung durch derartige Alternativen vermeidbar gewesen wären, verliert der Arbeitgeber automatisch. 
Regel Nummer 4:
Seien Sie ehrlich zu sich (und Ihrem Anwalt):
Kehren Sie nicht unter den Tisch, wenn es positive Mitarbeiterbeurteilungen gegeben hat. Sie müssen damit rechnen, dass der Gekündigte sie vorlegt. Ist in Ihrem Unternehmen usus, dass keine schlechteren Schulnoten als „3“ vergeben werden? Sind die Mängel erst aufgetaucht, nachdem die letzte Bewertung erfolgte? Welche Erklärung hat die Führungskraft, die die gute Bewertung abgegeben hat?
Wie sieht es mit dem Verkaufserfolg aus? Hat der Mitarbeiter zwar manche Kunden vergrault, aber dennoch gute Ergebnisse erzielt? Woran kann das liegen? Waren es Stammkunden oder Freunde, die weiterhin gekauft haben, es gelang ihm aber nicht, neue Kunden ins Boot zu holen? Sind die Zahlen zeitverschoben, weil Ihre Auswertung auf den Zahlungseingang abstellt, während dem viele Monate an Vorarbeit (oder eben nicht ausreichender Vorarbeit) vorangehen? Oder stimmt die Information einfach nicht, die an Sie intern herangetragen wurde?
Die Einvernehmliche Beendigung als bessere Lösung?
Unterschreibt ein Kollege die einvernehmliche Beendigung (nach ausreichender Bedenkzeit und aus freien Stücken), beendet das den Vertrag endgültig – prozessuale Nachwehen sind so gut wie ausgeschlossen. Ob dieser Weg für das Unternehmen günstiger ist, hängt von der Verhandlungssituation ab. Manche Arbeitnehmer erwarten hohe 6-stellige Beträge (netto!) – da wird es der Arbeitgeber in aller Regel lieber auf einen Prozess ankommen lassen. Ist ein ausgewogenes Ergebnis verhandelbar, sollten Sie die Einvernehmliche vorziehen. Ausgewogen ist sie dann, wenn die Höhe der Abschlagszahlung das Prozessrisiko abbildet. Häufig werden ein bis neun Monatsentgelte geboten; in sehr schwierigen Situationen unter Umständen auch mehr. Dienlich kann das Angebot eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses sein; ebenso die Nettoberechnung der Zahlung: Oft erhielte der Dienstnehmer mehr als er (aufgrund der Abrechnung seiner laufenden Bezüge) erwartet hätte. Keine Zahlungen sollten vor allem dann angeboten werden, wenn zu befürchten ist, dass dies im Unternehmen die Runde macht und immer mehr Mitarbeiter nach ihrer Kündigung zusätzliches Geld sehen wollen.
 Kristina Silberbauer