Weithin bekannt ist mittlerweile, dass ältere Arbeitnehmer gegen ihre Kündigung durch Anfechtungsklage vorgehen können, weil ihre Jobaussichten häufig sehr schlecht sind und die Kündigung somit sozialwidrig ist. Darf man daraus den Umkehrschluss ziehen, dass jüngere Arbeitnehmer die Klage nicht einmal probieren sollen oder können?

Die Kündigungsanfechtungsklage ist im Arbeitsverfassungsgesetz (§ 105 ArbVG) geregelt und steht grundsätzlich allen Arbeitnehmern nach einem halben Jahr Betriebszugehörigkeit in Betrieben mit fünf oder mehr Arbeitnehmern zur Verfügung, für die die Kündigung eine besonders schwere Härte bedeutet. Bestätigt das Gerichtsverfahren die Sozialwidrigkeit der Kündigung und liegen keine überwiegenden Gründe seitens des Unternehmens vor, muss der Arbeitnehmer wieder eingestellt werden.
Ein Mindestalter sieht § 105 ArbVG nicht vor und würde auch keinen Sinn machen. Nur im konkreten Einzelfall kann beurteilt werden, wie schlecht die Aussichten des Gekündigten auf dem Arbeitsmarkt wirklich sind. In der Praxis fechten vor allem Personen ab 50 Jahre ihre Kündigung an, in den letzten Jahren lässt sich aber beobachten, dass die Kläger immer jünger werden.
Was sagt der Oberste Gerichtshof dazu?
Mit dieser Frage war der Oberste Gerichtshof kürzlich (29.1.2015, 9 ObA 133/14w) konfrontiert. Er hält ganz klar fest: Keineswegs darf man annehmen, dass jüngere Arbeitnehmer nicht geschützt wären bzw. der Arbeitgeber jüngere Arbeitnehmer ausnahmslos frei kündigen könne, ohne versuchen zu müssen, diese anderweitig im Unternehmen einzusetzen. Der gesetzliche Schutz vor sozial ungerechtfertigten Kündigungen dient dem Zweck, jene Personen wirtschaftlich abzusichern, die zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts auf das Erwerbseinkommen aus dieser Beschäftigung angewiesen sind. Dies gilt unabhängig von ihrem Alter.
Für Arbeitgeber bedeutet das, dass auch vor der Kündigung eines jüngeren Arbeitnehmers abzuschätzen ist, wie bald er eine vergleichbare neue Beschäftigung finden wird. Sind die Jobaussichten eines beispielsweise 40-jährigen bereits sehr schlecht, sollte der Arbeitgeber seiner sozialen Gestaltungspflicht nachkommen und versuchen, ihm Alternativen anzubieten. (Dies ist freilich nicht nötig, wenn für die Kündigung personenbezogene Kündigungsgründe vorliegen, also Gründe, die in der Person des Arbeitnehmers liegen und eine Fortsetzung der Beschäftigung unzumutbar machen.)
Umgekehrt folgt daraus für Arbeitnehmer unter 50, dass eine Kündigungsanfechtungsklage nicht in jedem Fall aussichtslos ist.
 
Kristina Silberbauer