Abstract
Immer mehr Unternehmen bemühen sich, mittelfristig die Klimaneutralität zu erreichen. Das kann von rechtlichen Zwängen (indirekt über die zunehmend verpflichtende Nachhaltigkeitsberichterstattung), der Notwendigkeit, wettbewerbsfähig und als AG attraktiv zu bleiben, oder gesamtgesellschaftlicher Verantwortung motiviert sein. Die Arbeitsverhältnisse können davon nicht unberührt bleiben, sodass sich neue arbeitsrechtliche Fragen stellen. (FN 1)
Text
A. Ordnungsvorschriften
Wenn klimafreundliche Maßnahmen wie etwa Stromsparen, Mülltrennen oder Zurückhalten bei Ausdrucken eingeführt oder forciert werden, wird das wenige Rechtsprobleme aufwerfen (allerdings auch der Klimakrise wenig entgegensetzen): Derartige, auf die generelle Ordnung im Betrieb bezogene Angelegenheiten unterliegen an sich dem Weisungsrecht des AG („formelle Arbeitsbedingungen“). (FN 2) Allenfalls könnte dazu auch eine Betriebsvereinbarung gem § 97 Abs 1 Z 1 ArbVG geschlossen werden. Eine derartige Betriebsvereinbarung ist gem § 97 Abs 2 ArbVG erzwingbar: Kommt zw Betriebsinhaber und BR über ihren Abschluss (ihre Änderung oder Aufhebung) keine Einigung zustande, so entscheidet auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle.
B. Neue Produkte und Dienstleistungen
Wenn Unternehmen im Zuge der ökologischen Transformation auf neue Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse setzen, kann das schon mehr Einfluss auf die Arbeitsvertragsbeziehung haben. Wurde ein AN explizit für den Vertrieb einer bestimmten Produktgruppe eingestellt, und ist er nun angehalten, klimafreundlichere (aber uU nicht so leicht zu verkaufende) Alternativen anzubieten, kann das seine arbeitsvertraglichen Pflichten sprengen, eine vertragsändernde Versetzung darstellen und daher seine Zustimmung benötigen. Ähnlich verhält es sich mit einem Lagermitarbeiter, der zukünftig Abfälle für Recycling sortieren soll.
Eine vertragsändernde Versetzung kann notfalls mittels Änderungskündigung durchgesetzt werden: Der AN wird gekündigt; diese Kündigung wird aber rückwirkend rechtsunwirksam, sobald er der Vertragsänderung zugestimmt hat. Änderungskündigungen sind grds zulässig (FN 3), scheiden aber bei Vorliegen eines besonderen Kündigungsschutzes aus. Stellt die dauerhafte Zuweisung eines neuen Aufgabengebiets eine Einreihung auf einen anderen Arbeitsplatz dar, mit der eine Verschlechterung der Entgelt- oder sonstigen Arbeitsbedingungen einhergeht – etwa weil die Provisionen des Außendienstmitarbeiters leiden oder das Sortieren der Abfälle mit Schmutz und Kälte verbunden ist -, wird sogar die Zustimmung des Betriebsrates zu dieser verschlechternden Versetzung (§ 101 ArbVG) erforderlich sein. Die Zustimmung muss ausdrücklich, auf den Einzelfall bezogen und vor allem vor der Versetzung erfolgen. (FN 4)
C. Homeoffice, Arbeitszeitmodelle
Die Einführung von Homeoffice, Gleitzeit und Vier-Tage-Woche kann helfen, Anfahrtswege zu sparen oder (bei Gleitzeit) besonders umweltschädliche Staus zu vermeiden. Nicht unbedingt werden damit aber CO2-Emissionen für Kühlung und Heizung verringert. (FN 5)
Die Einführung von Homeoffice bedarf einer Vereinbarung zw AG und AN. Mittels Betriebsvereinbarung (§ 97 Abs 1 Z 27 ArbVG) können Rahmenbedingungen festgelegt werden wie die Bereitstellung von Arbeitsmitteln und deren private Nutzung, das Rückkehrrecht in den Betrieb und Regelungen zum Kostenersatz. Diese Betriebsvereinbarung ist fakultativ, kann also nicht durch ein Verf vor der Schlichtungsstelle erzwungen werden. Sie kann AN nicht verpflichten, im Homeoffice zu arbeiten. (FN 6) Basierend auf § 97 Abs 1 Z 4 ArbVG könnte Homeoffice für beide Seiten bindend mittels (erzwingbarer) Betriebsvereinbarung eingeführt werden – sofern damit eine Veränderung der Arbeitsorganisation iSd § 109 Abs 1 Z 4 ArbVG, verbunden mit wesentlichen Nachteilen für alle oder erhebliche Teile der Arbeitnehmerschaft, einhergeht. (FN 7)
Homeoffice, Gleitzeit und Vier-Tage-Woche können helfen, Anfahrtswege zu sparen oder besonders umweltschädliche Staus zu vermeiden.
Gleitzeit iSd § 4b AZG ermöglicht die weitgehend selbstbestimmte Einteilung der Arbeitszeit im Rahmen des zu definierenden Gleitzeitrahmens. (FN 8) So können die AN die Anzahl ihrer Arbeitstage (und damit ihrer Wege) verringern, indem sie pro Tag mehr Stunden arbeiten – ohne dass dabei dem AG zwingend Mehrkosten durch Überstundenzuschläge entstehen. Die flexiblere Arbeitszeiteinteilung kann auch dafür genutzt werden, so früh oder spät zu beginnen, dass der morgendliche bzw nachmittägliche Stau vermieden wird. Gleitzeit wird im betriebsratslosen Betrieb einzelvertraglich eingeführt – andernfalls bedarf sie einer Betriebsvereinbarung.
Zu einem ähnlichen Effekt – Verdichtung der wöchentlichen Normalarbeitszeit auf nur vier Tage – führt das Modell der Vier-Tage-Woche; mit dem Unterschied, dass die Lage der Arbeitszeit fix vereinbart wird. Auch hier gilt: Im betriebsratslosen Betrieb kommt sie einzelvertraglich zustande, andernfalls ist eine Betriebsvereinbarung nötig (§ 4 Abs 8 AZG).
D. Mobilität
Sehr viel heikler wird es bei der Frage, mit welchen Verkehrsmitteln die AN ihre Dienstwege zurücklegen. Wurde ein privat nutzbarer Dienstwagen zugesagt, kann dieser nur dann (etwa gegen ein E-Auto, einen kleineren oder gebrauchten Wagen) ausgetauscht oder ganz zurückgefordert werden, wenn ein entsprechender Vorbehalt vereinbart wurde. Nicht jeder Vorbehalt ist geeignet: AG dürfen sich auf vertragliche Vorbehalte nur nach billigem Ermessen (FN 9) berufen. Bei öffentlich sehr gut angebundenen Unternehmen (und guter Erreichbarkeit des Wohnortes) kann es durchaus sachlich begründbar sein, die Dienstwagenflotte gegen Gewährung von Öffi-Tickets einzustellen, um als Unternehmen klimafit zu werden. Allerdings wird der Wortlaut des vereinbarten Vorbehalts selten dieses Motiv abdecken, sodass von einer Zustimmungsnotwendigkeit auszugehen ist.
Wenn Reiserichtlinien statt Flügen Bahnfahrten vorsehen, können Einwände auf Arbeitsvertrag oder konkludente Ansprüche gründen.
Falls ein (uU sogar unternehmensübergreifendes) Carsharing eingeführt werden soll, kann dafür eine Betriebsvereinbarung notwendig sein: Wenn personenbezogene Standort- und Bewegungsdaten verarbeitet werden, kann eine „Kontrollmaßnahme bzw ein technisches System“ vorliegen, „das die Menschenwürde berührt“ (§ 96 Abs 1 Z 3 ArbVG) (FN 10), jedenfalls aber ein „System zur automationsunterstützten Ermittlung, Verarbeitung und Übermittlung von personenbezogenen Daten des AN, die über die Ermittlung von allgemeinen Angaben zur Person und fachlichen Voraussetzungen hinausgehen“ (und dessen Verwendung nicht durch Gesetz, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder Arbeitsvertrag vorgeschrieben ist; § 96a Abs 1 Z 1a ArbVG).
Immer mehr Unternehmen führen Reiserichtlinien ein, mit denen für kürzere Strecken statt Flügen Bahnfahrten vorgesehen sind. Dagegen werden AN nur dann berechtigte Einwände erheben können, wenn ihnen arbeitsvertraglich ganz konkrete Reisebedingungen zugesagt wurden – was in der Praxis allerdings eher nur in gehobenen Positionen der Fall ist. Ein Anspruch auf bestimmte Transportmittel kann auch durch konkludente Zusage (jahrelange Praxis) bzw Betriebsübung entstanden sein. Begründet der AG durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Gesamtheit seiner AN eine betriebliche Übung, die seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, wird diese Übung durch die (iSd § 863 ABGB schlüssige) Zustimmung der AN zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge. (FN 11) In diesen Fällen wird es für die Änderung der Dienstreiseregeln die Zustimmung der AN brauchen. Eine Betriebsvereinbarung kommt schon allein deshalb nicht in Betracht, weil es für sie keine Rechtsgrundlage gibt. (FN 12) Außerdem könnte sie in bestehende einzelvertragliche Ansprüche grds nicht eingreifen. (FN 13) Zur Vermeidung von Dienstreisen bietet sich auch das Umsteigen auf Video-Konferenzen an, was im Wege der Weisung unproblematisch ist.
E. Kantine
Fleisch, vor allem Rindfleisch, ist für einen nennenswerten Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich, je nach Rechenart und Quelle zw 14,5 % (FN 14) und 20 %. (FN 15) Will ein Unternehmen seine CO2-Bilanz verbessern, ist der Gedanke an die fleischlose Kantine des Unternehmens nicht fern. Von dem zu erwartenden Widerstand der Belegschaft abgesehen stellt sich die Frage, ob eine jahrelang gewohnte Kantinenkost einseitig auf vegetarisches oder gar veganes Angebot umgestellt werden darf.
Die Einführung einer fleischlosen Kantine kann einer Betriebsübung oder Betriebsvereinbarung entgegenstehen.
Gibt es zur Kantine keine (Betriebs-)Vereinbarung, könnte eine Betriebsübung dagegensprechen: Ist die Kantinenkost ohne irgendwelche Vorbehalte viele Jahre lang unverändert angeboten worden, ist eine solche anzunehmen. Gab es hingegen immer wieder Änderungen im Angebot oder zwischenzeitige Einschränkungen oder Schließungen, wird schwerlich ein Anspruch durch Betriebsübung entstanden sein.
Ein klarer Rechtsanspruch kann sich aus einer Betriebsvereinbarung über die Mitwirkung des Betriebsrates an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen gem § 95 ArbVG ergeben (FN 16), wenn dort auch die Art der (nicht-vegetarischen) Verköstigung
geregelt ist. Der genaue Inhalt (Prozess der Betriebsparteien bei Änderungen der Speisen, Beendigungsrechte) wird über das weitere Schicksal der angebotenen Kost entscheiden. Kommt zw Betriebsinhaber und Betriebsrat über die Änderung einer solchen Betriebsvereinbarung keine Einigung zustande, entscheidet auf Antrag eines der Streitteile die Schlichtungsstelle.
F. Schulungen
Klimabewusste Unternehmen könnten motiviert sein, ihre AN über die Klimakrise, ihre Folgen und die Lösungsmöglichkeiten jedes Einzelnen zu informieren, und sie zur Teilnahme an Schulungen verpflichten. Eine Pflicht zur Teilnahme an Schulungen, die nicht unmittelbar mit der Arbeit oder dem Unternehmen zu tun haben, ist zu verneinen. Zwar kann sich durchaus aus dem Arbeitsvertrag bzw seiner Auslegung eine Pflicht zur Absolvierung von Schulungsmaßnahmen ergeben. Davon ist aber nicht auszugehen, wenn überhaupt kein Konnex zur Dienstleistung besteht. (FN 17) Findet eine solche nicht im Rahmen des Arbeitsvertrags geschuldete Ausbildung ohnehin in der Freizeit statt oder wird stattdessen in der Arbeitszeit gearbeitet, darf das Fernbleiben keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen haben.
Wenn aber die Fortbildung – selbst wenn eine Fortbildungsverpflichtung nicht explizit vertraglich vereinbart wurde – zum Gegenstand der geschuldeten üblichen Dienste des Arbeitsverhältnisses gehört, muss der AN daran teilnehmen. (FN 18) Die Weigerung stellt eine Vertragsverletzung dar und kann (jedenfalls bei Wiederholung trotz Abmahnung (FN 19)) eine Entlassung rechtfertigen. Verlangt der AG (berechtigt oder nicht) die Teilnahme und kommt der AN dem nach, wird diese Zeit jedenfalls – nach jüngster EuGH-Rsp (FN 20) – als Arbeitszeit zu werten (und kollektivvertrags- bzw arbeitsvertragskonform zu bezahlen) sein.
Notiz
Schlussstrich
Die Klimakrise stellt die gesamte Menschheit vor gewaltige Herausforderungen. Auch in den Unternehmen muss und wird sich einiges in Richtung CO2-Neutralität tun. Dabei werden neue arbeitsrechtliche Schwierigkeiten entstehen, für die die vorhandenen Arbeitsrechtsvorschriften neu zu denken sind.