Das deutsche Bundesarbeitsgericht urteilt: Eine Firma muss einer Frau so viel zahlen wie einem Mann, der besser verhandelt hat. Wie ist das in Österreich?
Als eine Frau aus Sachsen herausfand, dass sie weniger verdient als ihr direkter Kollege, hieß es: Der Mann habe eben besser verhandelt. Das deutsche Bundesarbeitsgericht entschied nun: Das ist kein Argument für ungleiche Bezahlung. Wäre so ein Urteil auch in Österreich möglich?
Frage: Worum geht es bei dem Urteil?
Antwort: Die Außendienstmitarbeiterin Susanne Dumas, die zwischen 2017 und 2021 bei einer Metallfirma in Sachsen beschäftigt war, erfuhr zufällig, dass ihr direkter Kollege 1.000 Euro brutto mehr pro Monat verdiente. Das Unternehmen begründete das damit, dass dieser bei seiner Einstellung mehr Lohn gefordert habe. Sowohl das Arbeitsgericht in Leipzig als auch das Landesarbeitsgericht in Sachsen werteten diese Argumentation als „objektiven arbeitsbezogenen Grund“ für die bessere Bezahlung, wie der „Spiegel“ berichtet. Ein solcher muss seit der 1957 geltenden europarechtlichen Equal-Pay-Vorgabe bei Gehaltsunterschieden zwischen Männern und Frauen vorliegen. Dumas wandte sich deshalb an das Bundesarbeitsgericht, das die Argumentation ihres Arbeitgebers als nicht zulässig einstufte und schließlich der Klägerin recht gab.
Frage: Wäre dieses Urteil auch in Österreich möglich?
Antwort: Ja, sagt Anwältin und Arbeitsrechtsexpertin Kristina Silberbauer. „Wenn eine Frau grundlos weniger als ein völlig vergleichbarer Arbeitskollege verdient, würde sie in Österreich sicher gewinnen“, erklärt sie. Denn schon 1998 urteilte der Oberste Gerichtshof in einem ähnlichen Fall, dass besseres Verhandlungsgeschick oder unterschiedliche Gehaltsvorstellungen keine sachliche Rechtfertigung für ungleiche Bezahlung sei. Der Fall der deutschen Außendienstmitarbeiterin habe jedoch eine Besonderheit, sagt Silberbauer. Und zwar, dass ein neues Entlohnungssystem eingeführt wurde, und die Gehälter bei Übertritt in dieses neue System einer Deckelung unterlagen. Auf die berief sich der Arbeitgeber, um das Gehalt der Frau nicht anpassen zu müssen. „Ein vergleichbarer Fall ist in Österreich daher schwer vorstellbar und würde am ehesten im Rahmen von Kollektivvertragsänderungen vorliegen“, erklärt sie. Doch auch unter dieser Bedingung könne eine kollektivvertragliche Deckelung eine Firma nicht davon entbinden, ein diskriminierendes Gehalt nach oben anzupassen.
Frage: Welche Konsequenzen hätte das für Unternehmen?
Antwort: Es können grundsätzlich die Entgeltdifferenzen der letzten drei Jahre nachgefordert werden, plus Schadenersatz, erklärt die Arbeitsrechtsexpertin. Außerdem müsste in Zukunft das Gehalt entsprechend angehoben werden. Eine Kündigung der Klägerin sei laut Silberbauer zudem stark erschwert, weil als Kündigungsmotiv die Vergeltung für die Aufdeckung einer Diskriminierung infrage kommen könnte.
Frage: Welche Regelungen gibt es in Österreich, um Diskriminierung beim Gehalt zu verhindern?
Antwort: Die Diskriminierung im Zusammenhang mit dem Entgelt ist im Gleichbehandlungsgesetz geregelt. Dort ist auch „Equal Pay“ als Maßstab für Kollektivverträge und betriebliche Einstufungsregeln vorgesehen. Seit 2011 müssen Unternehmen mit mindestens 150 Beschäftigten Einkommensberichte vorlegen, die die Bezahlung von gleichen und vergleichbaren Tätigkeiten transparent machen sollen – tun sie das nicht, drohen ihnen allerdings keine direkten Konsequenzen. Betriebsräte sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können den Bericht jedoch einklagen. Forschende stellten 2022 fest, dass dieses Lohntransparenzgesetz bisher aber keinen Einfluss auf den Gender-Pay-Gap hatte. Auf EU-Ebene werde gerade an zusätzlichen Vorschriften zur Lohntransparenz gearbeitet, sagt Arbeitsrechtsexpertin Silberbauer. Diese sehen unter anderem vor, dass Methoden für geschlechtsneutrale Arbeitsbewertung eingeführt werden und Beschäftigte schon vor Jobantritt Einblick in Einstiegseinkommen und die im Unternehmen gängige Entwicklung der Gehälter bekommen.
Frage: Welche Schritte können Beschäftigte setzen, wenn sie ungerecht bezahlt werden?
Antwort: Im Unternehmen können Führungskräfte oder der Betriebsrat eine erste Anlaufstelle sein. Für rechtliche Schritte können sich Beschäftigte an die Gleichbehandlungsanwaltschaft, die Gewerkschaften und die Arbeiterkammer wenden. In aller Regel wird nach einer Prüfung der Ansprüche auch Rechtschutz gewährt, sodass die Betroffenen ein Gerichtsverfahren ohne Kostenrisiko einleiten können. (Anika Dang, 23.2.2023)