Abstract
Auch wenn eine überwältigende Mehrheit der österr Bevölkerung den Klimawandel und seine Bedrohungen ernst nimmt, bezweifelt oder leugnet eine Randgruppe immer noch die Verursachung der Klimakrise durch menschliches Verhalten oder zumindest die drohenden Gefahren. (FN 2) Diese Meinungsgegensätze können auch in der Arbeitswelt schlagend werden; sei es, dass im Klimaschutz aktive Unternehmen Klimaleugner nicht einstellen oder sich von ihnen deshalb trennen; sei es, dass sich Unternehmen, die in klimaschädlichen Bereichen tätig sind, gegen Bewerber und Mitarbeiter entscheiden, die pro Klimaschutz sind. Das wirft die Frage auf, ob AN wegen ihrer positiven oder aber auch negativen Einstellung zu Klimaschutz vom GlBG vor Diskriminierung geschützt sind.
Text
Klimakrise (Teil II) – Umgang mit Weltanschauung im Betrieb (FN 1)
A. Weltanschauung als Diskriminierungskriterium
In sämtlichen Konstellationen stellt sich die Frage, ob eine Weltanschauung tangiert wird, die von § 17 GlBG geschützt ist. Gem § 17 GlBG darf niemand iZm einem Arbeitsverhältnis aufgrund der ethnischen Zugehörigkeit, der Religion oder Weltanschauung, des Alters oder der sexuellen Orientierung unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden. Das betrifft ua die Begründung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Rechtsfolgen können gem § 26 GlBG im Fall der Nichteinstellung der Ersatz des Vermögensschadens und eine Entschädigung für die erlittene persönliche Beeinträchtigung sein (Abs 1), im Fall der Kündigung oder Entlassung alternativ ihre gerichtliche Anfechtung mit der Wiedereinstellung (und Entgeltnachzahlung) als Folge (Abs 7).
Eine Legaldefinition für den Rechtsbegriff „Weltanschauung“ fehlt, der wissenschaftliche Diskurs ist kontrovers. (FN 3) Weltanschauungen sind keine wissenschaftlichen Systeme, sondern Deutungsauffassungen in Form persönlicher Überzeugungen von der Grundstruktur, Modalität und Funktion des Weltganzen. Laut stRsp des OGH (FN 4) handelt es sich um eine Sammelbezeichnung für alle ideologischen, politischen und ähnlichen Leitauffassungen vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen, die zur Deutung des persönlichen und gemeinschaftlichen Standortes für das individuelle Lebensverständnis dient. Sofern Weltanschauungen Vollständigkeit anstreben, gehören dazu Menschen- und Weltbilder, Wert-, Lebens- und Moralanschauungen. Politische Anschauungen werden weder in der RL 2000/78/EG (FN 5) noch im taxativen Katalog der Diskriminierungsgründe in § 17 GlBG genannt. Dennoch kann auch eine parteipolitische Zugehörigkeit unter den oben genannten Voraussetzungen Ausdruck einer Weltanschauung sein. (FN 6) Punktuelle Meinungen hingegen, wie kritische Auffassungen zur aktuellen Asylgesetzgebung, (FN 7) zu personellen Missständen (FN 8) oder der Ablehnung der Covid-19-Impfung (FN 9) und dem Tragen von Schutzmasken in der Covid-19-Pandemie (FN 10) erfüllen diese Voraussetzungen nicht.
B. Haltung zur Klimakrise und Weltanschauung
Die Bedrohungen durch die Klimakrise sind existenziell. Die Auswirkungen der ungebremsten Erderwärmung werden alle Lebensbereiche umfassen, Maßnahmen gegen weiteren CO2-Ausstoß sowie Klimaanpassungsmaßnahmen ebenso. Aus Sicht der Klimawandelleugner und -bezweifler erschüttern umgekehrt der omnipräsente Diskurs über den Klimawandel und die (kommenden) Beschneidungen ihrer Freiheiten zu seiner Verlangsamung ebenfalls ihr Weltbild. Daher ist zu untersuchen, ob die Haltungen beider Lager zu Weltanschauungen werden können.
1. Engagement für Klimaschutz
Wer sich für den Klimaschutz engagiert, indem er Müll trennt und gelegentlich Fahrrad fährt, ist noch kein Vertreter einer Weltanschauung, weil hier die Verbindlichkeit, Ernsthaftigkeit und Bedeutung der Überzeugung fehlen. (FN 11)
Hinter dem Engagement für Klimaschutz kann aber auch eine ganzheitliche Haltung zur Menschheit und ihrer Beziehung zur Umwelt iS einer Weltanschauung stehen. Wer sich als Teil der Natur versteht, von einer menschlichen Pflicht ausgeht, die vorhandenen natürlichen Ressourcen zu achten und zu erhalten, und all seine Lebensbereiche danach ausrichtet, weil er sich als Teil einer Gemeinschaft betrachtet und den kommenden Generationen eine lebenswerte Umwelt hinterlassen will,
vertritt und lebt damit eine Leitauffassung vom Leben und von der Welt als einem Sinnganzen. Das wird auf Personen zutreffen, die ihren CO2-Fußabdruck möglichst gering halten und Ressourcen sparen, also wenig und möglichst regional konsumieren, Wege öffentlich oder mit dem Fahrrad zurücklegen, Flugreisen, Fleischkonsum und Take-away möglichst ganz vermeiden, Wohnraum nach Größe, Dämmung und Heizart wählen und ihr Wahlrecht entsprechend ausüben. Hier liegt ein Mensch-, Welt- und Wertbild vor, das die Kriterien einer Weltanschauung erfüllt und daher nach dem GlBG vor Diskriminierung geschützt wird. Wer deshalb etwa nicht eingestellt, bei einer Beförderung übergangen oder deshalb gekündigt wird, könnte dagegen rechtliche Maßnahmen ergreifen.
2. Klimakrisenverharmloser und -leugner
Umgekehrt können Bewerber und AN, die den menschengemachten Klimawandel entgegen wissenschaftlicher Erkenntnisse verharmlosen oder leugnen, dies ohne große Reflexion des Weltganzen tun (sodass sie keinesfalls eine Weltanschauung vertreten (FN 12)) – oder aber auch sehr bewusst und ganzheitlich, etwa weil sie Verschwörungsideologen sind und die gesamte Welt, etwa das wahre Wirken von Regierungen, Wissenschaft und bestimmten Bevölkerungsgruppen, im Widerspruch zu belegten Daten oder Naturgesetzen in Frage stellen und somit die offizielle Version der „Wahrheit“ anders deuten. Damit kann man sie durchaus als Vertreter einer „Weltanschauung“ verstehen.
Das Interesse an der Leugnung des Klimawandels kann hinter dem Interesse des AG, bei der unternehmerischen Tätigkeit zum Klimaschutz beizutragen, nur zurücktreten.
Womit sich die Frage stellt, ob jede Weltanschauung geschützt ist. Rauch lehnt das für extremistische sowie hass- und gewaltorientierte Auffassungen ab. (FN 13) Nach Egger haben weder die RL 2000/78/EG (die mit dem GlBG umgesetzt wurde) noch das GlBG das Ziel, die Existenz sitten- oder gesetzwidriger Gruppierungen zu legalisieren. (FN 14) Tatsächlich kann nach der Rsp des EGMR (FN 15) eine schutzwürdige weltanschauliche Überzeugung nur dann vorliegen, wenn diese mit der Würde des Menschen vereinbar ist und in einer demokratischen Gesellschaft einen Anspruch auf Respekt hat. Art 2 Abs 5 RL 2000/78/EG hält ausdrücklich fest, dass sie nicht „die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen berührt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit, die Verteidigung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig sind“. Damit lässt sich argumentieren, dass Klimawandelleugnung, selbst wenn sie Teil einer Weltanschauung wäre, nicht in den Schutzbereich des GlBG fällt, weil das Fortführen unseres bisherigen Lebensstils nach dem Stand der Wissenschaft massive Gesundheitsschäden, Klimamigration bis hin zu Verteilungskämpfen bewirken wird. Demzufolge wäre es nicht als diskriminierend zu werten, wenn sich ein Unternehmen von einem Klimawandelleugner trennt oder ihn gar nicht erst einstellt.
Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man zunächst Weltanschauungen jeglicher Art, also auch solche, die mit Menschenwürde und Demokratie unvereinbar sind, vom Schutzbereich des § 17 GlBG erfasst sieht. In einem zweiten Schritt, der Abwägung der beidseitigen Interessen (Glaubens- und Gewissensfreiheit des AN versus Schutz des Eigentums des AG (FN 16)), kann das Interesse an der radikalen Leugnung des Klimawandels (als Teil einer ganzheitlichen Weltanschauung) hinter dem Interesse des Unternehmens, bei der unternehmerischen Tätigkeit zum Klimaschutz beizutragen oder dem Klima immerhin nicht zu schaden, mE nur zurücktreten.
Für Klimaschutzorganisationen und Unternehmen, deren Kerntätigkeit und Unternehmenszweck der Klimaschutz ist („Tendenzbetriebe“), wird dann, wenn sie sich von einem Klimawandelleugner trennen, eine Diskriminierung wegen § 20 Abs 2 GlBG – selbst wenn es sich um eine geschützte Weltanschauung handelte – regelmäßig ausscheiden: „Eine Diskriminierung auf Grund der (…) Weltanschauung liegt in Bezug auf berufliche Tätigkeiten innerhalb von (…) privaten Organisationen, deren Ethos auf (…) Weltanschauungen beruht, nicht vor, wenn die (…) Weltanschauung dieser Person nach der Art dieser Tätigkeiten oder der Umstände ihrer Ausübung eine wesentliche, rechtmäßige und gerechtfertigte berufliche Anforderung angesichts des Ethos der Organisation darstellt.“
Natürlich kann – abgesehen vom GlBG – eine Kündigung dennoch daran scheitern, dass, etwa im Fall einer Betriebsratsmitgliedschaft oder während einer Elternteilzeit bis zum 4. Geburtstag des Kindes, ein besonderer Kündigungsschutz besteht oder die Interessen des AN, für den die Kündigung sozialwidrig iSd § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist, jene des Unternehmens überwiegen.
3. „Klimaneutrale“
Und was gilt für Personen, denen das Thema Klimakrise schlichtweg egal ist? Sei es, weil sie es verdrängen, sei es, weil sie informiert, aber dennoch nicht berührt sind. Eine Weltanschauung ist das in aller Regel nicht. Wenn ein Unternehmen beschließt, solche Personen nicht einzustellen, mag das entweder generell oder doch in Bezug auf die ausgeschriebene Position unsachlich sein. Unsachliche Entscheidungen sind aber weder verboten noch mit Rechtsfolgen verbunden. Das GlBG schützt nur vor Diskriminierung wegen der oben angeführten Gleichbehandlungskriterien. Sollte es zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aus dem Grund der Klimagleichgültigkeit kommen, ist das ebenso wenig diskriminierend. Ein guter Kündigungsgrund wird das aber nicht sein und daher eine iS des § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG allenfalls sozialwidrige Kündigung nicht rechtfertigen können.
Notiz
Schlussstrich
Die Meinungen zu Ursachen und Gefährlichkeit der Klimakrise unterscheiden sich weiterhin. Im Arbeitsverhältnis können daraus Konflikte entstehen, die das Gleichbehandlungsrecht tangieren. Haltungen zur Klimakrise können als Weltanschauung vor Diskriminierung geschützt sein.