Wenn der Betriebsrat gegen eine beabsichtigte Kündigung ausdrücklich Widerspruch erhebt, kann er die Kündigung beim Arbeits- und Sozialgericht anfechten. Unter welchen Voraussetzungen darf der Arbeitnehmer selbst die Kündigungsanfechtungsklage einbringen? Damit beschäftigte sich das OLG Wien am 27.8.2014 (7 Ra 73/14b):

Damit der Arbeitnehmer nach einem Widerspruch des Betriebsrates seine Kündigung selber anfechten kann, muss er nach dem Wortlaut des Gesetzes (§ 105 Abs 4 ArbVG) zunächst den Betriebsrat zur Klagsführung auffordern. Nur wenn der dem Verlangen des Arbeitnehmers nicht nachkommt, kann der Arbeitnehmer die Kündigung selber anfechten.
In der Praxis läuft das freilich anders ab: Wie im entschiedenen Fall, entscheidet sich der Arbeitnehmer häufig dafür, den Prozess zu führen und teilt dem Betriebsrat lediglich mit, dass er gegen die Kündigung selbst Schritte unternehmen wolle, den Betriebsrat also nicht involvieren möchte. In diesem Fall fehlt streng genommen die Aufforderung des Arbeitnehmers an den Betriebsrat, die Kündigung anzufechten, der sich der Betriebsrat widersetzen könnte. Daraus wiederum könnte man dem Arbeitnehmer einen Strick drehen:
Nachdem sich der Betriebsrat keinem Verlangen widersetzt hat, kann das Klagerecht nicht auf den Arbeitnehmer übergegangen sein.
Für den Arbeitnehmer erfreulich, kam das Oberlandesgericht Wien aber zu dem Ergebnis, dass in einem derartigen Fall der Arbeitnehmer dennoch selber klagen kann – auch wenn es davor kein Verlangen an den Betriebsrat, das Verfahren zu führen, gab.
Für Arbeitnehmer folgt daraus: Um einen derartigen Streit über das Klagerecht gar nicht erst entstehen zu lassen, sollte man den Betriebsrat pro forma zur Klagsführung auffordern und erst nach dessen Ablehnung (aber fristgerecht!) selber die Klage einbringen.
 
Kristina Silberbauer