Wer sich von einem erkrankten Arbeitnehmer einvernehmlich trennt, darf keine Wiedereinstellung vereinbaren.
Wer sich von einem erkrankten Arbeitnehmer einvernehmlich trennt, darf keine Wiedereinstellung vereinbaren. Sonst vermutet die Sozialversicherung Missbrauch und stellt Nachforderungen.
Was viele nicht wissen: Es ist erlaubt, das Arbeitsverhältnis mit einem erkrankten Arbeitnehmer einvernehmlich aufzulösen. Allerdings kann die Sozialversicherung Beiträge nachfordern, vor allem wenn eine Wiedereinstellungszusage vorliegt. Weiters darf der Mitarbeiter nicht unter Druck gesetzt werden, hat der Verwaltungsgerichtshof in Entscheidungen zu zwei Fällen klargestellt.
Im ersten Fall trennten sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer einvernehmlich zwei Tage, nachdem letzterer einen Freizeitunfall erlitten hatte. Sie vereinbarten aber, dass die Zusammenarbeit weitergeht, sobald der Chefarzt den Arbeitnehmer gesund schreibt. Motiv für diesen – vom Arbeitgeber initiierten – Deal war, dass der Krankenstand wohl länger als sechs Wochen gedauert hätte: Das entspricht dem Zeitraum, in dem ein Arbeitgeber volle Entgeltfortzahlung leisten muss – selbst wenn der Arbeitnehmer darauf verzichtet. Der Krankenstand dauerte einen Monat. Der Chef hielt sein Versprechen und stellte den Mitarbeiter am Tag nach der Genesung wieder ein.
Für die Gebietskrankenkasse war das ein „Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten“. Sie schrieb dem Arbeitgeber vor, auch für den Zeitraum des Krankenstands, also der Pause zwischen erstem und zweitem Arbeitsverhältnis, die Beiträge zu entrichten. Die Rechtsmittel des Arbeitgebers blieben erfolglos: Laut VwGH (2007/08/0327 vom 14.4.2010) stellt die einvernehmliche Auflösung grundsätzlich keinen Missbrauch dar. Sie ist lediglich eine von mehreren Möglichkeiten, ein Arbeitsverhältnis zu lösen. Im vorliegenden Fall wollten die Parteien die Zusammenarbeit in Wahrheit aber gar nicht beenden – sie hatten ja die Wiedereinstellung vereinbart. Es ging ihnen nur darum, die Entgeltfortzahlungspflicht zu vermeiden. Das aber ist unzulässig und ihre Vereinbarung daher nichtig. Folglich bestand auch in dem Zeitraum, als das Arbeitsverhältnis quasi karenziert war, Versicherungspflicht.
Besser erging es einem Fleischwarenunternehmer, der mit seinem Arbeitnehmer (einem kündigungsgeschützten begünstigten Behinderten) die Einvernehmliche erst zwei Wochen nach seiner Erkrankung schloss: Der Arbeitnehmer gab gegenüber der Gebietskrankenkasse als Begründung an, seinem Chef habe der Krankenstand zu lange gedauert – er musste noch einen Monat auf die Operation warten. Freilich war es auch hier der Arbeitgeber, der auf die Idee mit der einvernehmlichen Beendigung im Krankenstand kam. Im Unterschied zum vorigen Fall hatten die Parteien hier aber keine Wiedereinstellung vereinbart. Im Gegenteil – der Einigung dürfte ein heftiger Streit vorangegangen sein: Der Arbeitgeber konfrontierte den Kranken damit, dass er dienstliche Fahrten auch für private Zwecke, nämlich für das Gasthaus seiner Gattin, genützt habe. Er gab auch zu erkennen, dass er die gesetzlichen Ansprüche im Krankenstand nicht ohne weiteres anerkennen würde. Nur aufgrund dieses Druckes habe der Arbeitnehmer eingewilligt, behauptete er.
Auch hier schrieb die Krankenkasse trotz Abmeldung Sozialversicherungsbeiträge vor. Das hielt vor dem VwGH (2007/08/0040 vom 14.4.2010) allerdings nicht: Er schloss einen Missbrauch aus. Zum einen half dem Unternehmer, dass er keine Wiedereinstellungszusage abgegeben hatte. Zum anderen glaubte der Gerichtshof dem Arbeitnehmer nicht, dass er unter Druck gestanden sei und gar nicht unterschreiben wollte.
In der Regel ist der Arbeitnehmer der schwächere Partner des Arbeitsvertrags. Deshalb schützt ihn der Gesetzgeber vor unüberlegten, voreiligen oder durch Sorge um den Arbeitsplatz beeinflussten Zugeständnissen. Das bedeutet aber nicht, dass jede vertragliche Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, die die Rechte des Arbeitnehmers für die Zukunft verschlechtert, unwirksam ist. Außerdem hatte der Kranke einen Tag Bedenkzeit, bevor er unterschrieb, was dem VwGH ausreichend erschien. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 08.09.2010)