Zwei Entscheidungen des EuGH (C-157/15, C-188/15) lassen auf ersten Blick den Schluss zu, dass Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuchs bei der Arbeit verbieten dürfen. Tatsächlich müssen Unternehmen aber einige Feinheiten beachten, um keine Diskriminierung zu begehen. Auch die Meinung des österreichischen Obersten Gerichtshofs sollte man kennen (9ObA117/15v).
Neutrale Arbeitsordnung zu religiösen Symbolen zulässig
Tatsächlich hat der EuGH an einer internen Regel (einer Arbeitsordnung) zunächst nichts auszusetzen, die das Tragen jedes sichtbaren Zeichens politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen verbietet. Maßgeblich ist dabei, dass die Regel unterschiedslos für jede Bekundung solcher Überzeugungen und für alle Arbeitnehmer des Unternehmens gilt.
Das bedeutet aber nicht, dass die Anwendung einer solchen internen Richtlinie jedenfalls rechtskonform ist.
Mittelbare Diskriminierung trotz neutraler Richtlinien
Nicht unmittelbar diskriminierende Regeln können nämlich dadurch unzulässig werden, dass sie auf einzelne Arbeitnehmer angewandt werden und diese dadurch benachteiligen. Eine solche Ungleichbehandlung ist dann „mittelbar“ diskriminierend, wenn sie nicht sachlich gerechtfertigt, angemessen und erforderlich ist. Jede dieser drei Voraussetzungen muss erfüllt sein, damit der Arbeitnehmer nicht diskriminiert wird.
Kein Kopftuch bei Kundenkontakt
Für den EuGH gehört es zur unternehmerischen Freiheit, wenn ein Arbeitgeber seinen Kunden ein Bild der Neutralität vermitteln möchte. Daher ist das Kopftuchverbot insbesondere rechtmäßig, wenn nur die Arbeitnehmer einbezogen werden, die mit den Kunden in Kontakt treten. Offen ließ der Gerichtshof, ob ein Kopftuchverbot für Arbeitnehmer, die keinen Kundenkontakt, wohl aber Kontakt zueinander oder zu Lieferanten haben, zulässig sein kann.
Ersatzarbeitsplatz statt Kündigung?
Für ihn ist auch relevant, ob man der Mitarbeiterin mit Kopftuch nicht einen Ersatzarbeitsplatz im Innendienst hätte anbieten können, anstatt sich von ihr zu trennen.
Kopftuchverbot im Einzelfall
Ähnlich verhält es sich bei Ungleichbehandlungen aufgrund der Religion, die auf keiner generellen Unternehmensregel beruhen, sondern Einzelmaßnahmen sind – etwa beim Verbot des Kopftuchs aufgrund einer Kundenbeschwerde. Auch hier braucht es eine Rechtfertigung; sie kann darin bestehen, dass das Kopftuchverbot aufgrund der beruflichen Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt – wieder vorausgesetzt, dass es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt. Der EuGH stellt allerdings klar: Die Absicht eines Arbeitgebers, den Wünschen eines Kunden zu entsprechen, kann das Kopftuchverbot nicht rechtfertigen.
Ähnlich sieht es der österreichische OGH, der das Kopftuchverbot in einer Notariatskanzlei nicht mit „diffusen“ Kundenwünsche gerechtfertigt sehen will – zumal der Arbeitgeber jahrelang kein Problem mit dem Kopftuch am Arbeitsplatz hatte und seinen Sinneswandel nicht recht begründen konnte.
Sonderfall Burka
Den Gesichtsschleier (Burka) zu verbieten, hält der OGH hingegen für zulässig: Es zählt auch in Österreich zu den unbestrittenen Grundregeln zwischenmenschlicher Kommunikation, das Gesicht unverhüllt zu lassen, dies auch an einem Arbeitsplatz mit Kontakt zu Kunden, Mitarbeitern und zum Arbeitgeber. Das Tragen des islamischen Gesichtsschleiers am Arbeitsplatz hindert die Arbeitnehmerin an der Erbringung ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung , weil er die notwendige Kommunikation und Interaktion mit Parteien, Klienten, Mitarbeitern sowie mit dem Beklagten selbst beeinträchtigt und erschwert.
Dort ging es übrigens nicht nur um keine Kündigung wegen eines religiösen Merkmals, sondern auch um die Frage, ob einem Arbeitnehmer aus diesem Grund der Kundenkontakt entzogen werden darf und ihm weniger attraktive Arbeiten zu gewiesen werden können – auch das kann eine Diskriminierung sein.
Kurz gesagt
Unternehmer dürfen generell religiöse Symbole am Arbeitsplatz verbieten, müssen aber bei der Anwendung dieser Grundregel aufpassen: Es müssen auch in der Praxis alle Symbole untersagt werden, dazu wird auch Schmuck in Form des christlichen Kreuzes zählen. Außerdem ist weiterhin offen, ob ein solches Verbot auch für Arbeitnehmer gelten kann, die nur Kontakt zu Kollegen und Vorgesetzten haben. Bei der Burka ist immerhin klar: Sie darf am Arbeitsplatz verboten werden , wenn der Arbeitnehmer mit wem auch immer berufsbedingt kommuniziert.
Kristina Silberbauer
Rechtsanwältin für Arbeitsrecht