Gegen die Vereinbarung eines Urlaubsvorgriffs (Konsumation von Urlaub, der dem Arbeitnehmer noch nicht zusteht) ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Will man als Arbeitgeber keine Urlaubstage verschenken, ist aber aufgrund einer neuen Entscheidung des OGH äußerste Vorsicht geboten!

In seiner Entscheidung vom 29.1.2015 (9 ObA 135/14i) ging es um eine Patentanwaltskanzlei und den Urlaub einer dort beschäftigten Patentanwaltsanwärterin. Vereinbart wurde ein Urlaub im Ausmaß von zwölf Arbeitstagen zu einem Zeitpunkt, als der offene Urlaubsrest nur mehr sechs Arbeitstage betrug. Weder dem Arbeitgeber noch der Arbeitnehmerin war das bewusst.
Daraus ergab sich am Ende des Dienstverhältnisses die Streitfrage, für wie viele Urlaubstage der Dienstnehmerin Urlaubsersatzleistung zusteht. Sie war der Meinung, dass ihr auch für die sechs im Voraus konsumierten Urlaubstage Geldersatz gebührt. Sie hätte nämlich damals keinen Urlaub genommen, hätte sie gewusst, dass es sich um einen Urlaubsvorgriff handelt.
Der Arbeitgeber wollte diese ohnehin schon konsumierten Tage nicht auch noch bezahlen.
Der OGH dazu:
Urlaubsvorgriff ist zulässig, muss aber vereinbart werden. Wird er lediglich gewährt, dazu aber nichts Besonderes vereinbart, werden die vorgezogenen Urlaubstage auf den erst zukünftig entstehenden Urlaubsanspruch nicht angerechnet (!). Das Urlaubsgesetz sieht nämlich nicht vor, dass der Arbeitgeber zu viel verbrauchte Urlaubstage in die nächste Periode übertragen könne. Im Ergebnis wird dem Arbeitgeber somit unterstellt, er habe der Dienstnehmerin jene Urlaubstage „schenken“ wollen, die ihr zu diesem Zeitpunkt noch nicht zustanden.
Berücksichtigt man, dass der Oberste Gerichtshof keineswegs immer nur die Interessen des Arbeitnehmers schützt, erstaunt diese Entscheidung sehr. Gerade wenn beiden Parteien nicht bewusst war, dass Urlaub konsumiert wird, der erst in Zukunft entsteht, kann doch einem vernünftigen Arbeitgeber nicht unterstellt werden, er hätte den Urlaub „schenken“ wollen.
Dennoch muss diese OGH-Entscheidung in Zukunft beachtet und eingehalten werden. Es empfiehlt sich somit der Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung über den Urlaubsvorgriff, aus der hervorgeht, dass der Arbeitnehmer die Gelegenheit erhalten soll, einen Teil des ihm erst im folgenden Jahr gebührenden Urlaubs vorweg zu verbrauchen. Festgehalten werden sollte auch, dass er damit im Endergebnis nicht mehr an Urlaub erhalten soll, als ihm von Gesetzes wegen zusteht. Lediglich die zeitliche Verteilung soll zu seinen Gunsten verändert werden. All dies sollte in jedem Einzelfall vereinbart werden, eine Regelung im Dienstvertrag wird mit großer Wahrscheinlichkeit nicht reichen.
Gerade vor dem Hintergrund, dass die letzte Judikatur zu speziellen Themen des Urlaubsrechts wie insbesondere Urlaubsausmaß bei wechselnden Arbeitszeiten Fragen offen lässt, kommt dieser Entscheidung und den entsprechenden schriftlichen Vereinbarungen besondere Bedeutung zu. Stellt sich nämlich am Ende des Dienstverhältnisses heraus, dass die Urlaubsaufzeichnungen (zB bei wechselnden Arbeitszeiten im Verlauf des Dienstverhältnisses) unrichtig waren, kann auch dies zu dem von niemandem bedachten Ergebnis führen, dass Urlaube zu Zeitpunkten verbraucht wurden, als sie noch gar nicht zustanden.
 
Kristina Silberbauer