Auch Lehrlinge können entlassen werden. Dazu müssen aber die besonderen Entlassungsgründe des § 15 Abs 3 BAG vorliegen. Bei Pflichtverletzungen verlangt der Gesetzeswortlaut allerdings „wiederholte Ermahnungen“. Das relativiert der Oberste Gerichtshof nun.

Ein Lehrling für Vermessungstechnik manipulierte bei Messtätigkeiten im Außendienst das Vermessungsgerät, sodass die Registrierung der Messdaten gestört wurde, umfangreiche Überprüfungen ohne Messergebnisse endeten, die Messtätigkeit schließlich abgebrochen werden musste und eine ergebnislose Mängelprüfung des Gerichts beauftragt wurde. Er wiederholte das und demonstrierte es auch einem anderen Lehrling. Ein Handyvideo über den Messvorgang überführte ihn. Er wurde ohne Ermahnung entlassen. Schon davor war der Lehrling unangenehm aufgefallen: Er hatte mit der Tankkarte des Unternehmens privat Benzin getankt, ohne es zu bezahlen. Deshalb war er schriftlich verwarnt worden.
Der Lehrling klagte auf Feststellung eines aufrechten Lehrverhältnisses, allerdings ohne Erfolg.
Der Oberste Gerichtshof hält zwar fest, dass gerade noch jugendlichen Lehrlingen der Ernst der Situation deutlich vor Augen geführt werden muss, damit sie die Konsequenzen einer weiteren Pflichtenvernachlässigung erkennen können. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass erstmalige Verfehlungen keinesfalls zur Entlassung eines Lehrlings berechtigen. Es geht vielmehr darum, ob dem Lehrberechtigten die Weiterbeschäftigung noch zumutbar ist. Im vorliegenden Fall wurde dem Lehrling angelastet, dass er die Folgen seiner (ersten) Manipulation kannte (frustrierender Außendiensttag, ergebnislose Überprüfung des Messgerätes bei einem Serviceunternehmen), und er seine Schädigungshandlung trotzdem wiederholte. Die erstmalige Mahnung in Bezug auf privates Tanken nützte hier dem Unternehmen übrigens auch: Der Oberste Gerichtshof wertete dies als „einschlägige gravierende Pflichtverletzung (Vermögensdelikt)“. Die deshalb ausgesprochene Mahnung war hier zu berücksichtigen.
OGH 26.05.2011, 9 ObA 60/11f
Kristina Silberbauer/Claudia Simon, 2011