Angabe des kollektivvertraglichen Mindestentgelts in Stellenausschreibungen soll Diskriminierungen bei Entgeltfestsetzung vermeiden.
Die schon lang diskutierte Novelle zum Gleichbehandlungsgesetz wurde vor gut einer Woche kundgemacht. Neben den Einkommensberichten, die zunächst nur große Unternehmen treffen, verdienen die neuen Vorschriften für Stelleninserate Aufmerksamkeit. Sie richten sich nicht nur an Personalberater, sondern betreffen jeden Arbeitgeber.
Zukünftig muss schon in der Ausschreibung das Mindestentgelt angeführt werden, das laut Kollektivvertrag, Mindestlohntarif oder anderer lohngestaltender Vorschrift für den zu besetzenden Arbeitsplatz bezahlt werden muss. Ist der zukünftige Arbeitgeber bereit, mehr als dieses Minimum zu bezahlen, hat er darauf hinzuweisen.
Ein falsches Inserat kann teuer werden: Nützt eine Abmahnung nichts, kann die Bezirksverwaltungsbehörde ab 1. Jänner 2012 eine Strafe von bis zu 360 Euro verhängen. Diese Vorschriften wollen vermeiden, dass das Entgelt im Nachhinein in diskriminierender Weise geändert wird.
Auf den ersten Blick scheint hinter dieser Neuerung keine allzu große Herausforderung zu stecken, legen doch die Kollektivverträge klar fest, was zu bezahlen ist. Der Mitarbeiter muss einer Verwendungsgruppe zugeteilt werden, was in der Regel von der Schwierigkeit seiner Aufgaben, seiner Qualifikation und seiner (Personal)Verantwortung abhängt. Innerhalb der Verwendungsgruppen (manchmal auch „Tätigkeitsfamilien“ ) entscheidet seine einschlägige Vorerfahrung (die „Vordienstzeiten“ oder „Verwendungsgruppenjahre“ ) das endgültige Mindestgehalt. Dieser Einstufungsprozess setzt aber immerhin drei rechtliche Wertungen voraus:
- Welcher Kollektivvertrag ist auf das Arbeitsverhältnis überhaupt anwendbar?
- Welcher Verwendungsgruppe gehört der Arbeitnehmer an?
- Welche Vordienstzeiten sind ihm anzurechnen?
Dass all dies zukünftig für eine noch nicht bekannte Person beantwortet werden muss, macht die Sache nicht leichter.
Der richtige KV ist dann nicht schwer zu finden, wenn das Unternehmen nur in einem Gewerbe tätig ist: Aus der Gewerbeberechtigung folgt, welcher KV gilt. Übt ein Unternehmen aber mehr als ein Gewerbe aus, und das vielleicht in einem „Mischbetrieb“, dessen Abteilungen fachlich und organisatorisch nicht klar abgegrenzt sind, kann es in der Praxis zu Fehlern kommen. Welcher KV in einem solchen Fall der richtige ist, kann nur ein Arbeitsrechtsexperte beantworten.
Die Verwendungsgruppen, die jeder KV für seinen Anwendungsbereich definiert, beschreiben gleichwertige Tätigkeiten. Bei klaren Vorstellungen des Arbeitgebers von der zu besetzenden Stelle sollte es einfach sein, die richtige Verwendungsgruppe zu finden.
Individuelle Vordienstzeiten
Damit ist aber noch kein Mindestentgelt definiert: Es hängt ja noch von den Vordienstzeiten ab. Die sind aber so individuell wie der Lebenslauf des Bewerbers. Bei manchen Gewerben werden etwa nicht nur einschlägige Praxisjahre angerechnet, sondern auch Dienstzeiten als Beamter.
Laut Materialien zur Novelle kann der Arbeitgeber daher allfällige Vordienstzeiten außer Acht lassen – wenn er darauf hinweist, dass Betriebszugehörigkeit und Berufserfahrung nicht in die Berechnung des angegebenen Mindestentgelts eingeflossen sind. Das macht das Inserat allerdings auch nicht günstiger. Außerdem besteht diese Möglichkeit nicht, wenn gerade Personen mit Berufserfahrung gesucht werden.
Jene Arbeitgeber, die ein überkollektivvertragliches Entgelt angeben wollen, können die Einstufung im Inserat unterlassen, ohne dass eine Strafe droht.
Leider lässt die Möglichkeit, auf eine Überzahlung hinzuweisen, ohne sie zu beziffern, immer noch genügend Spielraum, in der Gehaltsverhandlung die schwächere Position eines Bewerbers / einer Bewerberin auszunützen. Mehraufwand und Mehrkosten sind durch das neue Gesetz sicher – weniger Diskriminierung nicht. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 23.02.2011)