In gleich drei Fällen hat der EuGH kürzlich zu Fragen der Altersdiskriminierung in der Arbeitswelt Stellung genommen.
Die EU-Richtlinien gegen Altersdiskriminierung lassen es unter ganz bestimmten Umständen zu, Menschen aufgrund ihrer Jugend oder ihres Alters schlechter zu behandeln. Dies hat der Europäische Gerichtshof in drei aktuellen Entscheidungen klargestellt.
Die wohl weitestreichende Konsequenz wird das Urteil C-555/07 vom 19.1.2010 haben: Mit ihm wird ein Teil der Kündigungsbestimmungen im deutschen Bundesgesetzbuch gekippt. Ähnlich wie im österreichischen Arbeitsrecht richtet sich die Dauer der Kündigungsfrist in Deutschland danach, wie lange das Arbeitsverhältnis gedauert hat. Allerdings zählten bislang Zeiten, in denen der Betroffene vor dem 25. Geburtstag im Unternehmen beschäftigt war, nicht mit.
Das wollte eine 28-Jährige nicht akzeptieren. Sie hatte schon zehn Jahre im Unternehmen gearbeitet. Dennoch bemaß sich ihre Kündigungsfrist so, als wäre ihre Beschäftigungsdauer nur drei Jahre gewesen.
Die Begründung für diese Ungleichbehandlung, wonach sie dem Arbeitgeber mehr personalwirtschaftliche Flexibilität verschaffen soll und jüngeren Arbeitnehmern eine höhere berufliche Mobilität zugemutet werden könne, ließ der EuGH nicht gelten: Die Ungleichbehandlung kann auch Mitarbeiter treffen, die erst in älteren Jahren gekündigt werden. Auch der Schutz der langen Betriebszugehörigkeit rechtfertigt die Regelung nicht: Sie gilt auch für Angestellte, deren Arbeitsverhältnis nach Jahrzehnten endet.
Schließlich werden sogar junge Arbeitnehmer untereinander diskriminiert; besser behandelt werden jene, die nach langer Ausbildung später in den Beruf eintreten. Das Kappen der Beschäftigungsjahre vor Vollendung des 25. Lebensjahres bei der Berechnung der Kündigungsfrist ist unangemessen und daher unanwendbar.
Die Ungleichbehandlung von älteren Arbeitnehmern stand bei den beiden anderen Entscheidungen im Vordergrund: Kurz vor seinem 30. Geburtstag bewarb sich ein Mann um die Einstellung in den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst (C-229/08 vom 12.1.2010). Die ablehnende Antwort erhielt er mit 30 und der Begründung, dass seine Bewerbung wegen Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren nicht berücksichtigt werden könne.
Das war für den EuGH in Ordnung: Der feuerwehrtechnische Dienst ist in der Brandbekämpfung, Personenrettung und ähnlichen, körperlich herausfordernden Notfalldiensten tätig. Laut medizinischen Untersuchungen weisen nur sehr wenige Beamte über 45 die notwendige körperliche Eignung auf. Würden etwa 40-Jährige aufgenommen, könnten sie nur noch fünf bis zehn Jahre für diese Aufgaben verwendet werden. Folglich entstünde auch ein Überhang an Beamten, die nur für körperlich weniger anspruchsvolle Einsätze verwendbar sind.
Damit ist der Ausschluss von Bewerbern, die 30 oder älter sind, ein zulässiges Mittel, um die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren des Notfalldienstes der Berufsfeuerwehr zu gewährleisten.
Altersgrenze für Zahnärzte
Auch für die Altersgrenze von 68 Jahren für Vertragszahnärzte zeigte der EuGH (C-341/08 vom 12.1.2010) ein gewisses Verständnis: Als Rechtfertigung hält er einerseits die Kontrolle der Ausgaben im öffentlichen Gesundheitssektor, andererseits die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen für tauglich. Ob dies für Deutschland tatsächlich zutrifft, wird das Sozialgericht Dortmund beurteilen müssen.
Als weitere Begründung wurde das deutsche Bundesverfassungsgericht zitiert, wonach die Altersgrenze notwendig sei, um die Versicherten vor „den Gefährdungen durch ältere, nicht mehr voll leistungsfähige Vertragszahnärzte“ zu schützen. Das überzeugte den EuGH nicht, weil eine vergleichbare Altersgrenze für private Zahnärzte fehlt.
Bei einer Ungleichbehandlung aufgrund des Alters kommt es laut EuGH darauf an, ob die Regelung einen rechtmäßigen Zweck verfolgt, sie dafür geeignet ist und nicht über das Ziel hinausschießt. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 24.03.2010)