Im zweiten Teil des Gastblogs geht die Rechtsanwältin Kristina Silberbauer auf arbeitsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der ökologischen Umstellung von Unternehmen ein. Im ersten Teil berichteteRaik Thiele darüber, wie verschiedene Maßnahmen dazu beitragen, die eigene Unternehmenskultur grüner zu machen.
Zahlreiche Unternehmen stellen sich auf die ökologische Transformation ein oder werden das mittelfristig tun müssen. Das wird auch Auswirkungen auf das Personal haben, sodass die arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen neu zu denken sind.
Wenn Unternehmen Ressourcen sparen wollen, kann das in Arbeitsverträge eingreifen und daher die Zustimmung jedes Mitarbeiters und jeder Mitarbeiterin benötigen. Nicht erforderlich ist das, wenn es um schlichte Ordnungsvorschriften wie Lichtabdrehen und doppelseitiges Drucken geht. Heikler wird es aber beispielsweise in Bezug auf Mobilität. Wurde einem Arbeitnehmer oder einer Arbeitnehmerin ein Dienstwagen samt Recht auf Privatnutzung zur Verfügung gestellt, kann ihm oder ihr der nicht einfach wieder weggenommen werden. Dafür braucht es einen Widerrufsvorbehalt im Vertrag und zusätzlich, im Anlassfall, einen konkreten sachlichen Grund. Der Widerruf darf nicht willkürlich erfolgen.
Ob das Ziel, die unternehmerischen CO2-Emissionen zu verringern, als sachlicher Grund gewertet werden wird, ist durchaus vorstellbar, weil keinesfalls unsachlich. Spätestens jetzt sollten sich Unternehmen in Dienstwagenvereinbarungen derartige Widerrufe oder zumindest das Recht vorbehalten, das Fahrzeug gegen ein anderes (zum Beispiel kleineres, gebrauchtes E-Auto) auszutauschen, oder überhaupt hinterfragen, ob sie das Auto noch als Teil des Entgelts darstellen oder stattdessen E-Bikes, Car-Sharing, Klimatickets oder einfach mehr Gehalt anbieten wollen. Die Lösung könnte auch – vielleicht sogar unternehmensübergreifendes – Car-Sharing sein. Die dabei verwendete Software ist allerdings dahingehend zu prüfen, ob sie personenbezogene Standort- und Bewegungsdaten verarbeitet, sodass eine Betriebsvereinbarung nötig ist.
Wenn Unternehmen neu regeln, dass Dienstreisen bis zu einer bestimmten Distanz statt mit dem Flugzeug mit der Bahn zurückzulegen sind, wird das in aller Regel zulässig sein. Ein Anspruch auf ein bestimmtes Verkehrsmittel bei Dienstreisen wird nämlich selten, eher nur mit Führungskräften, vereinbart. Allenfalls kann ein Anspruch auf kurze Flüge aufgrund längerer Praxis entstanden sein – wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin das als Zusage für alle Zukunft verstehen durfte. Für die Mitarbeitenden kann eine Umstellung auf die Bahn Nachteile haben, nämlich dann, wenn (abhängig von den genauen einzelvertraglichen und auch kollektivvertraglichen Bestimmungen) Reisebewegungszeiten außerhalb der Normalarbeitszeit als Freizeit gelten und somit nicht bezahlt werden. Auch wenn in aller Regel kein Anspruch auf finanziellen Ausgleich für längere Reisezeiten in der Freizeit bestehen wird, ist ein solcher als Motivation für Bahnfahren zu überlegen.
Die Umstellung auf neue, nachhaltigere Produkte wird selten in bestehende Arbeitsverträge eingreifen. Es braucht daher nicht die Zustimmung der Produktentwicklerin, wenn sie zukünftig eine ressourcensparende Produktschiene entwerfen soll, oder des Außendienstmitarbeiters, der diese dann vertreibt. Ausnahmen sind aber vorstellbar, wenn etwa jemand explizit für die Exploration von Erdöl eingestellt wurde und sich nun stattdessen mit Geothermie befassen soll, oder wenn ein Arbeiter oder eine Arbeiterin vom Lager abgezogen und in der Sortierung von Abfällen zwecks Wiederverwendung eingesetzt wird. Bei Änderungen des Vertrags muss der oder die Betroffene zustimmen, allenfalls auch der Betriebsrat.
Neu gestaltete Zielvereinbarungen
Zur Förderung klimafreundlichen Verhaltens können auch Zielvereinbarungen neu gestaltet werden. Das wird in aller Regel kein rechtliches Problem schaffen, weil die Ziele meist jährlich neu verhandelt werden (während der Bonusanspruch dem Grunde nach, allenfalls auch die Höhe bei bestimmter Zielerreichung, im Arbeitsvertrag geregelt sind). Die Herausforderung bei der Formulierung nachhaltiger Ziele wird ihre Messbarkeit sein. Eine Orientierung an der zunehmenden Messung von Nachhaltigkeitsfaktoren für Berichte und Ratings bietet sich an.
Neue Zeitmodelle wie die Viertagewoche und Gleitzeit sowie Homeoffice können Wege, Staus und damit CO2 sparen, brauchen aber das Einverständnis der Mitarbeitenden beziehungsweise des Betriebsrats. Die Umstellung ist aber ganzheitlich zu betrachten: Wenn jeder sein Homeoffice heizt, während das warme Büro halbleer ist, kann die CO2-Bilanz der Maßnahme erstaunlich schlecht ausfallen.
Betriebsvereinbarung für Fleischgerichte
Der ökologische Fußabdruck lässt sich auch durch die Umstellung auf vegetarische Ernährung deutlich verringern, noch mehr durch vegane. Ob das in Betriebskantinen zulässig ist, hängt von der rechtlichen Ausgestaltung ab: Immer dann, wenn der Betriebsinhaber das Recht hätte, diese „Wohlfahrtseinrichtung“ einseitig zu beenden, wird er umso mehr in das kulinarische Angebot eingreifen dürfen. Die Kantine kann allerdings auch mittels Betriebsvereinbarung geregelt sein. Wenn darin das Angebot von Fleischgerichten vorgesehen ist, hindert das – bis zur Änderung der Betriebsvereinbarung – die Umstellung auf rein vegan oder vegetarisch.
Schließlich liegt es nahe, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Rahmen von Schulungen über den Klimawandel, seine Folgen und klimafreundliches Verhalten zu informieren. Auch wenn davon in aller Regel im Arbeitsvertrag keine Rede sein wird, ist eine Pflicht zur Teilnahme (während der Arbeitszeit) jedenfalls dann anzunehmen, wenn ein beruflicher Kontext besteht, etwa weil das Unternehmen als Organisation Klimaschutz und Nachhaltigkeit als wesentlichen Teil seiner Kultur lebt.
Inwiefern im Zuge der ökologischen Transformation Diskriminierung, Meinungsäußerungsfreiheit, Whistleblowing und Klimaaktivismus arbeitsrechtlich relevant werden können, behandelt demnächst Teil drei. (Kristina Silberbauer, 20.7.2023)