Gewinnt ein Arbeitnehmer den Prozess über die Anfechtung seiner Kündigung, muss ihn der Arbeitgeber nicht nur wieder anstellen, sondern auch jenes Verdienst nachbezahlen, welches ihm zwischen dem letzten Arbeitstag aufgrund der (angefochtenen) Kündigung und der Wiedereinstellung gebührt hätte. Allerdings muss sich der Arbeitnehmer den zwischenzeitigen tatsächlichen oder fiktiven Verdienst anrechnen lassen. Eine neue OGH-Entscheidung stellt dabei hohe Anforderungen an die Bemühungen des Arbeitnehmers, einen anderweitigen Verdienst zu finden.

Gewinnt ein Arbeitnehmer sein Kündigungsanfechtungsverfahren, gebührt ihm grundsätzlich das zwischenzeitig versäumte Entgelt. Schließlich war er zur Leistung bereit und durch Umstände an der Dienstleistung verhindert, die auf Seiten des Dienstgebers liegen. Gemäß § 1155 Abs 1 ABGB muss er sich jedoch anrechnen lassen, was er sich infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat.
Der Wortlaut dieser Bestimmung deutet darauf hin, dass in aller Regel nur solches Einkommen anzurechnen ist, das der Arbeitnehmer während des Kündigungsanfechtungsverfahrens wirklich woanders verdient hat. Nur in den seltensten Fällen wird er eine Einkommenschance absichtlich ausschlagen. Zumindest aber wird dies für den Arbeitgeber schwer zu beweisen sein.
Der vorliegende Fall schloss an ein Kündigungsanfechtungsverfahren an, das der Arbeitnehmer gewonnen hat. Im zweiten Prozess ging es nur mehr darum, welchen Betrag der Arbeitgeber ihm nachzuzahlen hat. Der Arbeitnehmer war Buslenker und während des sehr langen, nämlich vier Jahre dauernden Kündigungsanfechtungsverfahrens arbeitslos gemeldet. Er bewarb sich nur bei zwei Busunternehmen. Andere Anstrengungen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, unternahm er nicht.
Das Gericht stellte fest, dass er bei aktiver Arbeitsplatzsuche mit hoher Wahrscheinlichkeit binnen sieben Monaten einen vergleichbaren Job hätte finden können. Noch dazu belastete er sich mit seiner eigenen Aussage: Er habe deshalb nicht aktiv Job gesucht, weil er einerseits mit dem Obsiegen im Kündigungsanfechtungsverfahren rechnete und der damit einhergehenden Lohnnachzahlung. Außerdem wollte er seine Frau dabei unterstützen, sich selbstständig zu machen.
Aus diesem Grund verpflichtete der OGH den Arbeitgeber nicht, vier Jahresentgelte nachzuzahlen, sondern lediglich das Entgelt für sieben Monate, während denen der zunächst Gekündigt jedenfalls arbeitslos geblieben wäre.
Für Arbeitnehmer bedeutet diese Entscheidung: Im laufenden Kündigungsanfechtungsverfahren sollte sich der Arbeitnehmer nicht „auf die faule Haut“ legen und glauben, dass ihm ohnehin das Entgelt nachbezahlt werde. Vielmehr muss er sich aktiv bemühen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden.
Arbeitgeber hingegen sollten nicht allzu leichtfertig Entgelt nachzahlen, nachdem sie im Kündigungsanfechtungsverfahren verloren haben. Zu prüfen sind ihre Chancen, in einem zweiten Verfahren wegen der Nachzahlung des Entgelts zumindest teilweise zu gewinnen, weil die Arbeitslosigkeit nicht gar so lange hätte dauern müssen.
(OGH 26.11.2013, 9 ObA 90/13w)
 
Kristina Silberbauer