Der Entlassungsvorwurf der Vertrauensunwürdigkeit liegt regelmäßig dann vor, wenn  vom „Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung besteht, dass die Belange des Arbeitgebers durch den Angestellten gefährdet werden“. Wie sieht es jedoch in jenen Fällen aus, bei denen es an klaren Anweisungen des Arbeitgebers mangelt?

In manchen Branchen ist es dem Arbeitgeber oft nicht möglich, die korrekte Einhaltung der Arbeitszeiten zu überprüfen, weshalb er auf die Sorgfalt und Ehrlichkeit seiner Arbeitnehmer vertrauen muss. Sollten diese unrichtige Berichte oder Angaben in Form einer (potentiellen) Irreführung tätigen, so stellt das gegenüber dem Arbeitgebers nicht bloß eine vernachlässigbare Unkorrektheit, sondern einen Entlassungstatbestand dar. 
Im vorliegenden Sachverhalt klagte ein angestellter Psychotherapeut auf Feststellung der nicht rechtmäßigen Entlassung. Er konnte sich seine Arbeitszeit grundsätzlich frei einteilen und wurde für fünf Einzelsupervisionen zur Aufarbeitung von Konflikten innerhalb der Mitarbeiter bezahlt. Aus aktuellem Anlass veranlasste er eine Teamsupervision, obwohl sie das übergeordnete Leitungsteam nicht genehmigt hatte. Das Leitungsteam hatte sie aber auch nicht verboten. Da der Kläger die Stunden der Teamsupervision als Arbeitszeit verrechnete, sprach sein Arbeitgeber die Entlassung aufgrund des Tatbestands der Vertrauensunwürdigkeit aus.
Der OGH gab der außerordentlichen Revision des klagenden Arbeitnehmers statt, da sein Verhalten nicht als grobe Pflichtverletzung zu werten sei. Der Durchführung der Teamsupervision stand kein Verbot und somit keine klare Anweisung des Arbeitgebers entgegen. Angesichts der Tatsache, dass die Vorgesetzen von der geplanten Supervision wussten, dies billigten und sogar Räumlichkeiten zur Verfügung stellten, könnte dies nicht als ein vertrauensunwürdiges Verhalten des Klägers gesehen werden. Das gesetzte Verhalten hätte zwar durchaus eine Abmahnung gerechtfertigt, keinesfalls jedoch den Entlassungstatbestand erfüllt.
(OGH 5.4.2013, 8 ObA 1/13z)
 
Philipp Wetter / Kristina Silberbauer