Zwei höchstgerichtliche Urteile zeigen: Werbung mit sozialem Engagement ist in Österreich und Deutschland erlaubt, solange die Unternehmen nicht mehr versprechen als sie halten können.
Vorbei sind die Zeiten, in denen Unternehmen satte Gewinne erzielen und sonst nichts zur Allgemeinheit beitragen sollen. Soziales Engagement wird erwartet – aber bei der Werbung damit ist Sorgfalt angesagt.
Üppiger Regenwald, Gorillas und Günther Jauch – wer kann schon das Bier im Regal stehen lassen, das mit dieser Abbildung und dem Versprechen beworben wird: mit jedem verkauften Bierkasten wird ein Quadratmeter Regenwald nachhaltig geschützt. Seit 2002 spricht diese Werbung der Brauerei Krombacher das Mitgefühl der Kunden an, um den Absatz zu fördern. Doch die Mitbewerber waren weniger erfreut, und eine Klage wanderte bis zum deutschen Bundesgerichtshof hinauf.
Dass Werbung beim Kunden Gefühle auslöst, liegt nach Ansicht des österreichischen Obersten Gerichtshofes (OGH) in der Natur der Sache und macht sie noch nicht unzulässig. Sie darf aber den Kunden nicht in die Irre führen oder grob unsachlich beeinflussen. In den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts mussten sich einige Unternehmen daher eine strenge Beurteilung ihrer Werbung gefallen lassen, die an das Umweltbewusstsein der Kunden appellierte: ob Insektenabwehrsprays, Ziegel oder Haarpflegeprodukte – sie durften nur dann mit „Bio“ beworben werden, wenn die positiven Eigenschaften in Bezug auf die Umwelt eindeutig belegt waren und eine Irreführung der Umworbenen ausgeschlossen war.
Es folgten Entscheidungen über Werbemaßnahmen, die das soziale Verantwortungsgefühl der Kunden ansprachen, etwa durch Hinweis auf die Produktion durch Behinderte. Hier stand die „grob unsachliche Beeinflussung“ der Käufer im Zentrum der Kritik, die die freie Entscheidung der Käufer gefährde.
„Hilf uns helfen!
Zunächst schien der OGH tatsächlich zu verlangen, dass zwischen Produkt und sozialer Aktion ein Zusammenhang besteht. Eine Spende für Kinder in Krisengebieten aus dem Verkaufserlös wäre demnach nicht erlaubt. Im vergangenen Herbst aber gab der OGH Entwarnung: Um die Zahlungsmoral bei den Käufern von Sonntagszeitungen zu steigern, waren auf den Selbstbedienungstaschen weit geöffnete Kinderaugen und die Aufforderung „Hilf uns helfen!“ abgebildet. Dem Käufer wurde versichert, dass 20 Cent des Erlöses einem karitativen Zweck zugute kommen. Wie berichtet erlaubte der OGH diese Werbung (4 Ob 164/06f vom 17.10.2006).
Sind daher auch Regenwald, Gorillas und Günther Jauch auf Bierkästen erlaubt? In einer Entscheidung kurz darauf fand es der Bundesgerichtshof (BGH I ZR 33/04 vom 26.10.2006) nicht verwerflich, dass die Brauerei an das Umweltbewusstsein der Käufer appelliert. Ebenso wenig stößt er sich daran, dass zwischen Bier und Regenwald offensichtlich kein sachlicher Zusammenhang besteht; Biertrinker werden dadurch nicht unsachlich beeinflusst. Unternehmer dürfen den Absatz ihres Produkts mit der Förderung sozialer, sportlicher, kultureller und auch ökologischer Belange koppeln.
Allerdings ließ diese Werbung offen, worin die Förderung des Regenwaldes konkret besteht. Nach Ansicht des BGH muss der Unternehmer vermeiden, dass der Verbraucher aufgrund der Werbung ein größeres Umweltengagement erwartet, als der Unternehmer in Wahrheit leistet. Dann nämlich liegt Irreführung vor, und die Werbung kann untersagt werden.
Der BGH verlangt daher eine Untersuchung, wie die Konsumenten die Werbung verstehen: reicht es den Käufern, wenn sie irgendein Umweltprojekt unterstützen – oder haben sie konkrete Vorstellungen, dass etwa mit jedem Kauf die Abholzung von einem Quadratmeter Regenwald vermieden wird? Wenn dem so ist, muss die Brauerei die Abholzung auch tatsächlich vermeiden – andernfalls ihre Werbung einstellen.
Weiterhin darf daher mit sozialem Engagement oder Umweltschutz geworben werden. Nur müssen die Unternehmen darauf achten, dabei nicht mehr zu versprechen als sie halten können. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 06./07.06.2007)