Niedriger qualifizierter Job muss nicht zum gleichen Gehalt angeboten werden – Arbeitsgericht argumentierte mit Einkommen des Ehemanns
Wien – Ein aktuelles Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien zur Elternteilzeit lässt aufhorchen. Der Senat gab einem Schmuckunternehmen Recht, das einer nach der Karenz zurückkehrenden Marketingmanagerin nur fünf Wochenstunden angeboten hatte, weil ihr früherer Aufgabenbereich nicht mehr existierte. Da die Frau dies ablehnte, musste der Arbeitgeber nach dem seit 2004 geltenden Elternteilzeitrecht klagen.
Das Urteil verwies auf die berufliche Tätigkeit des Ehemannes der Beklagten, wodurch deren finanzielle Situation „im Wesentlichen abgesichert ist und kein größeres Gewicht hat als die vorliegenden betrieblichen Gründe auf der Dienstgeberseite“. Das Urteil ist erst das zweite, bei dem in einer Elternteilzeit-Causa für den Arbeitgeber entschieden wurde, sagt Anwältin Kristina Silberbauer, die den Betrieb vertrat. Das Gericht habe klargestellt, dass der Dienstgeber nicht verpflichtet sei, einen niedriger qualifizierten Job zum gleichen Gehalt anzubieten. „Das ist ein positives Signal für die Wirtschaft, denn bisher ist man davon ausgegangen, dass die Chancen für Arbeitgeber sehr gering sind und die Arbeitnehmerinnen grundsätzlich gewinnen“, sagt sie dem Standard. „Das Urteil zeigt, dass Betriebe ein Gerichtsverfahren riskieren können, wenn keine andere Lösung mehr möglich ist.“ Dies sei langfristig auch für Frauen besser, da sie sonst bei der Anstellung benachteiligt werden könnten, glaubt Silberbauer.
Kein Rechtsweg
Das Elternteilzeitrecht erlaubt keinen Rechtsweg, weshalb jedes erstinstanzliche Urteil eine Präzendenzwirkung entwickeln kann. Der Fall sei allerdings „außergewöhnlich, weil der Job hier wirklich weggefallen ist“, sagt Silberbauer. „Damit sich ein anderer darauf berufen kann, muss die gleiche Situation eintreten.“
Auch Christoph Klein, Sozialexperte der Arbeiterkammer Wien, sieht das Urteil als Ausreißer. „Üblicherweise wünscht die Arbeitnehmerin weniger Stunden als der Arbeitgeber, weil er den Job nicht für teilbar hält. Ein Angebot von fünf Wochenstunden ist eigentlich eine Schikane.“ Der Hinweis im Urteil auf das Einkommen des Mannes sei auch EU-rechtlich problematisch.
Fehlen des Instanzenweges
Ebenso wie Silberbauer kritisiert Klein das Fehlen eines Instanzenwegs. Denn damit werde dem Obersten Gerichtshof die Möglichkeit genommen, Richtlinien für zukünftige Urteile zu erlassen. Dies sei besonders wichtig, weil die Kriterien im Gesetz nur ungenau definiert seien. Zwar sei es sinnlos, Teilzeit-Entscheidungen auf Jahre zu verschieben, denn „dann geht das Kind bereits in die Volksschule“, sagt Klein. „Die sinnvollste Konstruktion wäre eine sofortige Durchsetzbarkeit des erstinstanzlichen Urteils, gefolgt vom Rechtsweg.“ Klein kritisiert auch, dass das Gericht laut Gesetz „hopp oder tropp“ zwischen den Vorschlägen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer entscheiden muss und keinen Mittelweg bei der Stundenzahl anordnen kann. Auch sollten Arbeitnehmer die Möglichkeit haben, vom Teilzeitwunsch zurückzutreten und Vollzeit (wenn auch ohne Kündigungsschutz) zurückzukehren.
Die Fronten waren laut Silberbauer zum Verfahrenszeitpunkt allerdings verhärtet. Die Arbeitnehmerin hatte bereits einmal Elternteilzeit mit acht Wochenstunden in Anspruch genommen und dann das Unternehmen in der Öffentlichkeit kritisiert, weil sie sich schlecht behandelt fühlte. Eine Entlassung wegen Untreue ging vor Gericht erster Instanz nicht durch. (Eric Frey, DER STANDARD, Printausgabe, 17.7.2007)