Weit verbreitet ist der Irrglaube, man könne einen Arbeitnehmer wegen langer oder häufiger Krankenstände nicht kündigen. Das Gegenteil trifft zu: Krankenstände können sogar sozialwidrige Kündigungen rechtfertigen, also solche, die den Arbeitnehmer über die Maße hart treffen. Der Fall einer langzeitkranken Vertragsbediensteten aus Wien veranlasst den Obersten Gerichtshof (24.3.2014, 8 ObA 21/14t) seine Judikatur zu Kündigungen wegen Krankenstände zusammenzufassen:

 
Krankenstand als Kündigungsgrund
 
Kündigungsgründe braucht es im privaten Arbeitsrecht vor allem dann, wenn die Arbeitgeberkündigung sozialwidrig ist, sie die Interessen des Arbeitnehmers also besonders schwer beeinträchtigt, etwa wegen Langzeitarbeitslosigkeit. Im Vertragsbedienstetenrecht muss – nach längerer Dienstzugehörigkeit – überhaupt jede Kündigung begründet werden.
Unternehmerische Interessen gehen dann vor, wenn der Leistungsausfall auch durch Vertretungen nicht mehr bewältigt werden kann oder der Betrieb wegen der mangelnden Einsetzbarkeit der Arbeitskraft beeinträchtigt wird.
 
Für Kündigung notwendig: lange Krankheit plus negative Prognose
 
Doch Vorsicht: Nicht jeder länger andauernde Krankenstand berechtigt den Arbeitgeber zu kündigen. Dazu kommen muss eine negative Prognose, was die weitere Dauer dieses Krankenstandes, zukünftige Wiedererkrankungen und körperlichen Zustand des Dienstnehmers bei Wiederantritt des Dienstes betrifft. Ein verständiger und sorgfältiger Arbeitgeber darf bei objektiver Betrachtung davon ausgehen, dass Krankenstände in erhöhtem Ausmaß mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft zu erwarten sind. Eine ungünstige Prognose kann etwa bei regelmäßigen Krankenständen aus der anhaltend steigenden Zahl der Krankheitstage oder aus einer objektivierten Verschlechterung des Grundleidens abgeleitet werden.
 
Frühere Erkrankungen und Kündigung
 
In der Vergangenheit aufgetretene Krankenstände sind für die künftige Einsatzfähigkeit des Arbeitnehmers nicht unbedingt aussagekräftig. Wurde die zugrunde liegende Krankheit überwunden, kann sie nicht mehr als Kündigungsrechtfertigungsgrund herangezogen werden.
 
Offene Fragen
 
Zu starren zeitlichen Vorgaben für die Dauer einer Krankheit oder die Häufigkeit von Krankenständen, die den Arbeitgeber zur Kündigung berechtigten würden, lässt sich der OGH leider nicht hinreißen. Ebenso wenig kann er freilich das Problem lösen, dass vielen Arbeitgebern das Wissen fehlt, um welche Krankheit es sich handelt, und wie die ärztliche Prognose aussieht – zu beidem muss ihm der Arbeitnehmer nämlich keine Auskünfte erteilen.
 
Kristina Silberbauer