Zweieinhalb Jahre nach Einführung der Eltern- teilzeit treten die Schwachpunkte immer deutlicher zu Tage – Teil 1 einer kritischen Analyse.

Wer drei Jahre lang in einem Betrieb mit mehr als 20 DienstnehmerInnen beschäftigt war, hat Anspruch auf Elternteilzeit. Nur wenige Eckdaten der Elternteilzeit schreiben Mutterschutzgesetz – und Väterkarenzgesetz – vor: Die Dienstnehmerin muss die Elternteilzeit drei Monate im Vorhinein anmelden und kann sie maximal bis zum siebten Geburtstag (oder späteren Schulantritt) des Kindes konsumieren. Bis zu dessen vierten Geburtstag können teilzeitbeschäftigte Dienstnehmerinnen kaum gekündigt oder entlassen werden. Der Rest ist Vereinbarungssache: Dienstnehmerin und Dienstgeber legen im Idealfall gemeinsam fest, wie viele Wochenstunden die Dienstnehmerin an welchen Tagen arbeitet; ebenso, wie lange diese Regelung (innerhalb der erlaubten sieben Jahre) gilt.
Die Wirtschaftskammer Wien berichtet von zahlreichen Rückmeldungen aus Betrieben, die Probleme mit der Umsetzung des Elternteilzeitanspruchs haben: „Besonders Branchen mit einer hohen Quote an weiblichen Beschäftigten, wie Tourismus, Handel, Reinigung, und auch Mehrschichtbetriebe sind damit konfrontiert, dass ihre ArbeitnehmerInnen gleichzeitig, und nur vormittags (etwa zwischen neun und zwölf Uhr) arbeiten wollen. Das ist (unter anderem) auch auf das mangelnde Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen mit flexiblen Öffnungszeiten zurückzuführen.“
Kommen die beiden zu keiner Einigung, gilt der Wunsch der Dienstnehmerin. Um das zu verhindern, muss der Dienstgeber ein Schlichtungsverfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht einleiten und – bei Scheitern – Klage einbringen. Das wird oft als familienfeindlicher Akt des Unternehmens dargestellt – tatsächlich ist diese Klage nur die gesetzlich vorgesehene Reaktion auf einen für den Dienstgeber nicht akzeptablen Vorschlag der Dienstnehmerin. Das weitere Schicksal entscheidet das Urteil; darin kann das Gericht nur entweder den Vorschlag des Dienstgebers oder jenen der Dienstnehmerin bestätigen.
Schwammige Begriffe
Um diese Entscheidung ist keine RichterIn zu beneiden, das Gesetz bietet ihm/ihr nämlich als Richtschnur nur schwammige Begriffe: der Vorschlag des Dienstgebers hat vorzugehen, wenn die „betrieblichen Erfordernisse“ die „Interessen der Dienstnehmerin“ überwiegen.
Das Gesetz lässt völlig offen, welche Erfordernisse und Interessen überhaupt schützenswert sind, und wann das eine das andere überwiegt: Muss der Dienstgeber größere Zugeständnisse machen, wenn die Dienstnehmerin finanzielle Probleme hat, sie alleine erzieht? Muss er den Betrieb umorganisieren, obwohl sie mit ihrem Teilzeitwunsch leicht woanders einen Job finden kann? Manche Dienstnehmerinnen wollen genau so viele Stunden arbeiten, dass sie auch Kinderbetreuungsgeld beziehen – ist das Zweck der neuen Elternteilzeit und des Kinderbetreuungsgeldes?
Nach den Erfahrungen der Wirtschaftskammer Wien schränken die starren Kündigungsschutzregelungen die Dispositionsmöglichkeit der Unternehmen bereits bei einer nur geringfügigen Reduktion der Arbeitszeit spürbar ein: Wer – statt in Vollzeit – mit 35 Wochenstunden in den Betrieb zurückkehrt, kann vier Jahre lang kaum gekündigt werden. Wie hat ein Richter zu entscheiden, wenn es der Dienstnehmerin erkennbar nur um diesen Kündigungsbonus geht?
Unklar ist aber auch, welche betriebliche Interessen so wichtig sind, dass der Wunsch des Dienstgebers vorgeht: Laut Materialien soll die „Teilzeitbeschäftigung Organisation, Arbeitsablauf oder Sicherheit im Betrieb nicht wesentlich beeinträchtigen, wenn Maßnahmen zur Verhinderung dieser Beeinträchtigung, insbesondere die Aufnahme von Ersatzkräften, nicht möglich sind, oder unverhältnismäßige Kosten verursachen“.
Häufig wird aber das umgekehrte Problem auftreten, dass nämlich bestehende Arbeitskräfte überflüssig werden: während der Karenz einer Dienstnehmerin wird ein vernünftiger Unternehmer bereits für Ersatz gesorgt haben. Muss er diese Arbeitskraft (möglicherweise ebenfalls eine Mutter in Elternteilzeit) kündigen? Die auf verschiedene Kollegen verteilten Agenden von dort wieder abziehen?
Immer wieder steht auch zur Debatte, ob Führungspositionen oder reiseintensive Tätigkeiten in wenigen Stunden pro Woche ausgeübt oder auf mehrere Personen aufgeteilt werden können und müssen.
Für beide Seiten so wichtige Fragen – doch das Gesetz gibt keine klare Antwort. Fatal wird die Rechtslage aber dadurch, dass das Urteil des Gerichts nicht bekämpfbar ist. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 16.01.2007)