Zwei aktuelle Entscheidungen des Oberlandesgerichts Wien zeigen, dass der Verzug mit der Entgeltzahlung drastische Folgen nach sich ziehen kann, nämlich den berechtigten vorzeitigen Austritt des Mitarbeiters samt Anspruch auf Kündigungsentschädigung – aber nur, wenn der Mitarbeiter dabei keinen Fehler macht.

Wenn der Dienstgeber das dem oder der Angestellten zukommende Entgelt „ungebührlich schmälert oder vorenthält“, kann diese(r) gemäß § 26 Z. 2 AngG (für Arbeiterinnen und Arbeiter: gemäß § 82a GewO 1859) den vorzeitigen Austritt erklären – womit das Dienstverhältnis sofort endet, die Entgeltansprüche jedoch nicht. Nach dem berechtigten Austritt ist eine Entschädigung zu bezahlen, die sich bei befristeten Verträgen nach dem bis zu Fristablauf gebührenden Entgelt berechnet; im Fall eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses bis zum nächstmöglichen Ende durch Arbeitgeberkündigung („Kündigungsentschädigung“, § 29 AngG). In bestimmten Fällen ist ein neues Einkommen anzurechnen.

Die Motive des Arbeitgebers sind dabei irrelevant, ob also das Entgelt in Benachteiligungsabsicht, aus Nachlässigkeit oder aus Unvermögen geschmälert oder zurückgehalten wird. Es ist selbstverständlich die wesentliche Pflicht jedes Arbeitgebers, die Dispositionen für die Gehaltszahlung so rechtzeitig zu treffen, dass unter Berücksichtigung der üblichen Bearbeitungsdauer die Gutschrift auf dem Konto des Arbeitnehmers, der Arbeitnehmerin zum Zeitpunkt der Fälligkeit verbucht ist.

Ein einmaliger Verzug reicht für den sofortigen Austritt dann, wenn die Vertragsverletzung wesentlich ist. Dafür muss der Betrag dermaßen ins Gewicht fallen, dass ein Weiterarbeiten unzumutbar erscheint. Grundsätzlich aber muss der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin aufgrund der Treuepflicht eine Nachfrist setzen oder faktisch gewähren.

Die Entscheidungen des OLG Wien

Genau hier unterlief dem Angestellten im ersten Fall (OLG Wien 25. 10. 2021, 10 Ra 44/21w) ein folgenschwerer Fehler: Er setzte der Arbeitgeberin wohl eine 14-tägige Nachfrist, erklärte aber seinen Rücktritt noch vor ihrem Ende. Offensichtlich hatte er als Fristbeginn das Datum seines Aufforderungsschreibens angenommen und nicht – wie es richtig gewesen wäre – den Zugang im Unternehmen. Ergebnis: Sein Austritt war unberechtigt, er musste sich mit dem Entgelt bis zum Austrittstag zufriedengeben.

Im zweiten Fall hingegen (OLG Wien 25. 11. 2021, 10 Ra 71/21s) führte eine klare Fristsetzung zum Prozesserfolg des Arbeiters: Er hatte als letzten Tag für den Zahlungseingang einen bestimmten Kalendertag fixiert. Die Arbeitgeberin überwies den Fehlbetrag aber erst am Folgetag. Der Austritt wurde als berechtigt beurteilt, zumal es sich um fast 50 Prozent des Anspruchs handelte und der Verzug schon im zweiten Beschäftigungsmonat geschah.

Will man eine Mitarbeiterin, einen Mitarbeiter nicht verlieren oder immerhin nicht mehr zahlen müssen als der Dauer der Zusammenarbeit entspricht, sollte man als Unternehmerin, Unternehmer daher penibel auf pünktliche Lohn- und Gehaltszahlungen achten. Wer umgekehrt als Arbeitnehmerin, Arbeitnehmer austreten will, sollte im Zweifel eine Nachfrist setzen, dafür als Endtermin einen bestimmten Kalendertag wählen und erst nach seinem Verstreichen (ohne Eingang des geforderten Betrags) den Austritt erklären. (Kristina Silberbauer, 22.4.2022)

https://www.derstandard.at/story/2000135082389/die-drastischen-folgen-beim-verzug-der-entgeltzahlung