Viele Menschen haben mehr Spaß an der Arbeit, wenn es dort nicht todernst zugeht, sondern auch einmal ein Scherz erlaubt ist. Wie nahe salopper Umgangston und sexuelle Belästigung beziehungsweise Diskriminierung liegen können, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH 17. 12. 2021, 8 ObA 6/21x).

Eine angehende Juristin arbeitete zunächst ein Jahr als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einem Rechtsanwalt. Sein Umgangston war generell freundlich, scherzhaft und wenig formell. Auch sie verwendete ihm gegenüber ironische Formulierungen. Mit der Zeit hatte sie den Eindruck, dass er an ihr als Frau interessiert sei, was ihr unangenehm war, sie aber nicht ansprach. Schließlich wurde sie bei ihm Rechtsanwaltsanwärterin, erhielt aber kein eigenes Büro. Sie kritisierte das, vermisste Anerkennung und bat schließlich um ihre Kündigung. Dafür sah der Rechtsanwalt zunächst keinen Anlass, bis ihn ihre E-Mail erreichte, in dem sie ihm Flirtverhalten vorwarf. Da war ihm klar, dass eine Zusammenarbeit nicht möglich sei, sodass er ihre Kündigung samt Freistellung aussprach.

Als Folge begehrte die Gekündigte „Kündigungsentschädigung“ bis zum nächstmöglichen „diskriminierungsfreien“ Kündigungstermin – etwas über 8.000 Euro brutto – sowie immateriellen Schadenersatz in Höhe von 5.100 Euro netto und die Feststellung der Haftung für weitergehende Schäden (weil sie durch die Dienstfreistellung Ausbildungszeiten verlor). Im Gerichtsverfahren wurden einige Szenen der vergangenen Zusammenarbeit wieder aufgerollt und geprüft, ob sie eine sexuelle Belästigung darstellen.

Sexuelle Belästigung je nach Verhältnis

Beispielsweise hatte der Rechtsanwalt die Französischkenntnisse der Klägerin gelobt und zu ihr scherzhaft gesagt „Sie müssen nicht vor mir knien“ als sie – im Rahmen einer Arbeitssitzung – aus Müdigkeit eine hockende Haltung eingenommen hatte. Darin konnte der OGH kein die sexuelle Sphäre berührendes Verhalten sehen. Auch das einmalige zufällige Berühren des Gesäßes durch den Rechtsanwalt und eine kurzfristige Annäherung, als er sich auf die Armlehne des Fauteuils setzte, in dem sie gerade recherchierte, beanstandeten die Gerichte nicht: Bei einem generell lockeren Verhältnis wie zwischen diesen Parteien, das auch vom selbstbewussten Auftreten der Klägerin und dem wechselseitigen Spaß an pointierten Formulierungen geprägt war, sei das noch keine sexuelle Belästigung.

Rechtlich relevant war allerdings der folgende Vorfall: Die Mitarbeiterin streichelte den Pudel der Lebensgefährtin ihres Chefs auf dem Bauch und meinte zu ihm, dass der Pudel zutraulich sei. Der antwortete darauf, die Tanzpartner der Klägerin seien wohl auch zutraulich und würden wohl auch „alle Körperteile entgegenstrecken“. Das wurde freilich als sexuelle Belästigung gewertet: Sexuelle Belästigung im Sinne des § 6 Abs 2 Z 1 GlBG liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Für die Äußerung betreffend ihre Tanzpartner wurden der Klägerin 1.000 Euro an Entschädigung zugesprochen.

Benachteiligende Kündigung

Weitere 1.000 Euro sind ihr dafür zu bezahlen, dass sie aufgrund ihrer Beschwerde gegen das Flirtverhalten gekündigt und freigestellt wurde – was das Benachteiligungsverbot des § 12 Abs 7 Gleichbehandlungsgesetz verletzt. Schließlich wurden ihr weitere 1.500 Euro für die Kränkung darüber zugesprochen, dass sie wegen ihrer Beschwerde und gerade nicht aufgrund des eigenen Wunsches gekündigt wurde.

Recht auf Beschäftigung

Schließlich wurde auch gerichtlich festgestellt, dass ihr der Rechtsanwalt für zukünftige Schäden aus der rechtswidrig ausgesprochenen Dienstfreistellung hafte. Diesen traf nämlich die Pflicht, seine Rechtsanwaltsanwärterin umfassend auszubilden und entsprechend zu beschäftigen. Somit besteht in diesem besonderen Arbeitsverhältnis ein Recht auf Beschäftigung, das durch eine Freistellung verletzt wird. Und zwar hier ohne gewichtigen Grund: Dass die Klägerin dem Arbeitgeber Flirtverhalten vorgeworfen hatte, rechtfertigte die Freistellung ebenso wenig wie ihr Wunsch nach einer Gehaltserhöhung. Anhaltspunkte dafür, dass sie geschäftsschädigendes Verhalten setzen würde, gab es auch keine.

Die Kündigungsentschädigung wurde der Klägerin hingegen nicht zugesprochen – sie hatte keinen konkreten Schaden behauptet. (Kristina Silberbauer, 16.3.2022)

https://www.derstandard.at/story/2000134089039/salopper-umgangston-oder-sexuelle-belaestigung-wie-sich-arbeitgebende-nicht-verhalten