Wer in seinem Unternehmen Gleitzeit einführen möchte, sollte gut darauf achten, dass die (Betriebs-)Vereinbarung alle nötigen Inhalte aufweist und vor allem schriftlich geschlossen wird. Sonst fallen Überstundenzuschläge an, die Arbeitgeber durch die Gleitzeit gerade vermeiden möchten. Eine überraschende OGH-Entscheidung (23.02.2021 8 ObS 9/20m) bejaht aber in besonderen Konstellationen den Verfall der Arbeitnehmeransprüche.

Auf die Vereinbarung ist zu achten

Es handelt sich um eine insolvenzrechtliche Entscheidung und ein Architekturbüro: Eine langjährige Mitarbeiterin klagte den Insolvenz-Entgelt-Fonds auf Bezahlung von Zuschlägen für Überstunden, die sie über Jahre aufgebaut hatte. Ihr früherer Arbeitgeber hatte ihr wohl immer wieder Zeitausgleich gewährt, allerdings ohne Zuschläge. Die Arbeitsvertragsparteien waren offensichtlich davon ausgegangen, wirksam Gleitzeit vereinbart zu haben.

Der Zusatz zum Dienstvertrag war zwar immerhin schriftlich abgeschlossen worden, er enthielt aber die zwingend notwendige Gleitzeitperiode nicht. Dabei handelt es sich um jenen Zeitraum (häufig ein Kalenderjahr), währenddessen Mehrarbeit grundsätzlich zuschlagsfrei auf- und abgebaut werden kann, und an dessen Ende „Kassasturz“ gemacht und ein allfälliger Saldo (samt Zuschlag) ausbezahlt wird. Ein Übertrag in die nächste Gleitzeitperiode ist möglich, und zwar zuschlagsfrei, muss aber ebenfalls vereinbart werden. In Ermangelung einer vereinbarten Gleitzeitperiode war die Vereinbarung nichtig.

Fehlannahme und ein Urteil

In der Fehlannahme, Gleitzeit zu leben, wurden in dem Architekturbüro über viele Jahre Mehrstunden im Verhältnis 1:1 in Zeit ausgeglichen. In Wahrheit aber galten die allgemeinen arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen, wonach bei Überschreitung der Normalarbeitszeit Überstunden samt Zuschlägen entstehen. Hatte die Mitarbeiterin beispielsweise zwölf Stunden Zeitguthaben aufgebaut, hätten diese unter Berücksichtigung eines 50-prozentigen Überstundenzuschlags auf 18 Stunden aufgewertet werden müssen. Ein Zeitausgleich im Ausmaß von wiederum zwölf Stunden konnte somit nicht zum Ausgleich führen, sondern zum Verbleib von sechs Gutstunden.

Damit geschah in dem Architekturbüro, wovor sich zahlreiche Unternehmen fürchten, dass nämlich ihre Gleitzeit aus formellen Gründen scheitert und ihnen Nachforderungen drohen.

Tatsächlich aber ging die Angelegenheit für den Insolvenz-Entgelt-Fonds glimpflich (und für die Arbeitnehmerin unerfreulich) aus: Nach Ansicht des OGH und entgegen den beiden Entscheidungen der Vorinstanzen habe die Arbeitnehmerin mit jeder Stunde Zeitausgleich iSd § 19f Abs 3 AZG entschieden, für eine Überstunde eine Stunde Zeitausgleich zu nehmen und den Zuschlag dafür in Geld zu erhalten. Dieser Geldanspruch sei nach Ansicht des OGH somit schon vor langer Zeit fällig geworden und – aufgrund der Verfallsbestimmung des anwendbaren Kollektivvertrags – bereits erloschen.

Auf den ersten Blick ein hartes Urteil für die Arbeitnehmerin, die während des Dienstverhältnisses wohl noch nicht die ihr zustehenden Zuschläge für Überstunden bedacht und sie daher nicht rechtzeitig geltend gemacht hatte. Andererseits kam sie immerhin – obwohl der Vertrag unwirksam war – in den Genuss von Arbeitszeitflexibilität durch „Gleitzeit“. (Kristina Silberbauer, 29.4.2021)

https://www.derstandard.at/story/2000126187952/was-man-bei-der-gleitzeit-beachten-sollte