Das von Industriellenvereinigung, Wirtschaftskammer und Wirtschaftsministerium vorgestellte Leitbild für Corporate Social Responsibility (CRS) bestätigt vieles, was in österreichischen Gesetzen bereits steht – Es kann die Rechtsordnung dennoch in Details ergänzen

Was seinen Anfang in den USA nahm, wurde kurz vor Jahreswechsel der österreichischen Wirtschaft präsentiert. Das Leitbild „Erfolgreich wirtschaften. Verantwortungsvoll handeln“ ruft Österreichs Unternehmen dazu auf, das Wachstum zu fördern, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und gleichzeitig umweltbewusst und sozial verantwortlich zu handeln.
Wer auf die Vollständigkeit unserer Rechtsordnung vertraut, mag sich fragen, wozu dieses Leitbild notwendig ist. Die Wirtschaft stöhnt über die Flut an Normen, die ihr immer mehr Umwelt-, Arbeitnehmer- und sonstigen Schutz abverlangen. Sorgen die Gesetze nicht ausreichend für die Berücksichtigung sozialer und ökologischer Belange?
Keine neue Idee
Die Idee, dass Unternehmen auch das Gemeinwohl bedenken, ist nicht neu: Seit 1966 hat der Vorstand der Aktiengesellschaft nicht nur das Wohl des Unternehmens zu fördern, sondern dabei auch die Interessen der Aktionäre und Arbeitnehmer sowie das öffentliche Interesse zu berücksichtigen.
Bestand und Gedeihen des Unternehmens haben aber nach Meinung von Rechtsexperten Vorrang vor den übrigen Interessen. Kaum ein Vorstand wird abberufen, weil er bei niedrigen Löhnen den Gewinn maximiert.
Dies fordert zwar auch CSR Austria nicht. Indem das Leitbild aber wirtschaftliche, soziale und ökologische Interessen auf eine Ebene stellt, geht es über das Aktiengesetz hinaus.
Auch die vorgesehene Veröffentlichung von Nachhaltigkeits- oder Sozialberichten verlangt unsere Rechtsordnung nicht. Laut Handelsgesetzbuch muss der Jahresabschluss nur die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens vermitteln.
Ambitionierter Appell
Ähnlich ambitioniert ist der Appell an Österreichs Unternehmen, internationale Konventionen umzusetzen. Diese richten sich an die Vertragsstaaten und binden den Einzelnen zunächst nicht.
So müssen Unternehmen die Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (z. B. Verbot der Kinderarbeit) erst einhalten, nachdem diese – wie in Österreich – in das lokale Recht eingeflossen sind.
Befolgen Unternehmen diese Normen in Staaten, deren Arbeitsrecht nachhinkt, behandeln sie ihre Mitarbeiter tatsächlich besser als gesetzlich vorgesehen.
Andere Empfehlungen des Leitbildes heben sich von unseren Vorschriften hingegen kaum ab. So verpflichtet das Arbeitnehmerschutzgesetz den Arbeitgeber, Leben und Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen.
Wer einen Blick in die Arbeitsstättenverordnung wirft, kann sich von der Detailliertheit des Arbeitnehmerschutzes überzeugen: Auf den m² genau ist hier der freie Luftraum pro Arbeitsplatz festgelegt, auf Grad Celsius die Temperatur.
Die Anregung, die geistige und seelische Gesundheit der Mitarbeiter zu schützen, könnte die Wirtschaft allerdings aufgreifen, um über ihre Pflichten hinaus das Wohlergehen der Belegschaft zu fördern.
Faire Werbung
Ähnlich verhält es sich mit fairen Werbepraktiken, die das Leitbild den Unternehmen ans Herz legt – und damit nicht mehr verlangt als das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb: Von vergleichender Werbung über Kundengeschenke bis hin zu Gratisgewinnspielen – nichts davon darf den fairen Wettbewerb oder die freie Kaufentscheidung des Abnehmers beeinträchtigen.
Auch die gefahrlose Anwendung von Produkten sollten heimische Hersteller nicht erst aus Anlass des Leitbildes anstreben, wollen sie mit dem Produkthaftungsgesetz nicht in Konflikt geraten.
Zweierlei sollte nicht übersehen werden: Zum einen steht es Unternehmen frei, auch in gesetzlich geregelten Bereichen mehr zu tun als vorgeschrieben, indem sie etwa ihre Schadstoffemissionen unter den erlaubten Maximalwerten halten.
Zum anderen beschränkt sich die Geltung österreichischen Rechts meist auf Aktivitäten im Inland. Halten sich Unternehmen an das Leitbild auch in Ländern mit weniger strengen Vorschriften, leisten sie tatsächlich einen Beitrag zu einer „besseren Welt“.
So gesehen kann das Leitbild unsere Rechtsordnung sinnvoll ergänzen – ob dies geschieht, liegt in den Händen der Wirtschaft. (Kristina Silberbauer, DER STANDARD, Printausgabe, 24.04.2004)