Ein aktuelles Urteil des OGH klärt, wann und wie lange die Entgeltfortzahlung nach einer einvernehmlichen Auflösung während des Krankenstands läuft
Bei bestimmten Beendigungen während einer Arbeits- oder Dienstverhinderung, etwa bei einer einvernehmlichen Auflösung im Krankenstand, kann die Entgeltfortzahlung über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus weiterlaufen (§ 5 Abs 5 Entgeltfortzahlungsgesetz – EFZG, § 9 Abs. 1 Angestelltengesetz – AngG). Wie lange, wurde erst kürzlich vom Obersten Gerichtshof geklärt (OGH 23.07.2024, 9 ObA 54/24t).
Im entschiedenen Fall einigten sich Arbeitgeberin und Arbeiter auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 28.2.2023. Als der Arbeiter dem zustimmte, befand er sich im Krankenstand. Arbeitsfähig wurde er erst wieder am 14.5.2023 – also lange nach Arbeitsvertragsende.
Fortzahlung bis zum Ende des Arbeitsjahres?
Dem Unternehmen war wohl bewusst, dass es wegen § 5 Abs. 5 EFZG die Entgeltfortzahlung nicht mit dem letzten Vertragstag (28.2.2023) einstellen darf, und zahlte bis 5.3.2023. An diesem Tag endete das Arbeitsjahr des Klägers, der an einem 6.3. eingetreten war. Für ein neues Arbeitsjahr wollte die Arbeitgeberin keine Entgeltfortzahlung mehr leisten. Dieses Arbeitsjahr begann immerhin nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses, konnte also aus ihrer Sicht keinen neuen Entgeltfortzahlungsanspruch auslösen, was auch der OGH-Judikatur (22.10.2010, 9 ObA 36/10z) entspricht. Mit dem Ende des letzten Arbeitsjahres, das der Mitarbeiter im aufrechten Arbeitsverhältnis begonnen hat, müsse auch die Zahlungspflicht enden.
Auszahlung des restlichen Kontingents
Damit war der Kläger allerdings nicht zufrieden. Er wollte zusätzliche Entgeltfortzahlung bis zum 6.4.2023. Auf dieses Datum – das ja weder dem Ende der Zusammenarbeit noch dem Ende seines Arbeitsjahres noch dem Ende des Krankenstandes entspricht – kam er wie folgt: Pro Arbeitsjahr steht jedem Arbeiter und jeder Angestellten ein bestimmtes Kontingent an Entgeltfortzahlung zu (zu Beginn sechs Wochen volles und vier Wochen halbes Entgelt). Das Kontingent des Arbeiters aus seinem letzten Arbeitsjahr im Unternehmen war noch lange nicht erschöpft. Er errechnete, wie viele Tage noch „offen“ waren, und kam so auf den 6.4.2023.
Der OGH entschied – wie beide Vorinstanzen – ganz in seinem Sinne. Der gemäß § 5 Abs. 5 EFZG (oder § 9 Abs. 1 AngG) fortlaufende Anspruch auf Entgeltfortzahlung gebührt nicht nur bis zum Ende des letzten Arbeitsjahres. Vielmehr soll den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen gewährleistet werden, dass sie das bei Vertragsende noch nicht verbrauchte Kontingent für das letzte Arbeitsjahr ausschöpfen. Wer bei Arbeitsvertragsende beispielsweise noch zwei Wochen volles und vier Wochen halbes Entgelt noch nicht verbraucht hat, muss dieses Entgelt erhalten.
Richtige Kalkulation
Wer das Arbeitsverhältnis während einer Dienstverhinderung beendigen will, sollte sich nicht nur über die potenziell weiterlaufende Entgeltfortzahlung im Klaren sein, sondern diese auch richtig kalkulieren: Sie läuft nicht bis zum Ende des laufenden Arbeitsjahres, sondern so lange, bis das letzte Jahreskontingent aufgebraucht ist. (Kristina Silberbauer, 5.9.2024)