Die vielleicht häufigsten arbeitsgerichtlichen Verfahren betreffen die Anfechtung von Kündigungen wegen Sozialwidrigkeit. Damit zielen gekündigte Personen – in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen – darauf ab, wieder eingestellt zu werden. Voraussetzung ist, dass die Kündigung ihre wesentlichen Interessen beeinträchtigt. Das im Vorfeld zu beurteilen ist für Unternehmen oft schwierig und hängt stark vom Einzelfall ab. Einige Detailfragen klärte der Oberste Gerichtshof (OGH) kürzlich in gleich fünf Verfahren.

Die vielleicht häufigsten arbeitsgerichtlichen Verfahren betreffen die Anfechtung von Kündigungen wegen Sozialwidrigkeit. Damit zielen gekündigte Personen – in Betrieben mit mindestens fünf Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen – darauf ab, wieder eingestellt zu werden. Voraussetzung ist, dass die Kündigung ihre wesentlichen Interessen beeinträchtigt. Das im Vorfeld zu beurteilen ist für Unternehmen oft schwierig und hängt stark vom Einzelfall ab. Einige Detailfragen klärte der Oberste Gerichtshof (OGH) kürzlich in gleich fünf Verfahren.

Wie lange muss die drohende Arbeitslosigkeit sein?

Es gibt keine starren Regeln darüber, welche Dauer der Arbeitssuche der gekündigten Person zumutbar ist. In Einzelfällen verneinte die Judikatur die Sozialwidrigkeit selbst bei einer Suchdauer von bis zu zwölf Monaten. Auch die Frage, welchen Einkommensverlust Gekündigte bei den verfügbaren Jobs hinnehmen müssen, ist gesetzlich nicht geregelt. Gewisse Einkommensschwankungen muss jeder Arbeitnehmer und jede Arbeitnehmerin im Lauf des Arbeitslebens hinnehmen. Einbußen von unter zehn Prozent sind in aller Regel hinzunehmen; solche von 20 Prozent und mehr deuten auf gewichtige soziale Nachteile hin. Im Fall eines Verpackers wurde die voraussichtliche Nettoeinkommenseinbuße von etwa 15 Prozent noch nicht als ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lage bewertet. Offen blieb in dieser Entscheidung, ob die monatlichen Kosten in Höhe von 250 Euro für die Haltung von vier Hunden Luxusaufwendungen und daher bei den Lebenshaltungskosten nicht zu berücksichtigen sind. (OGH 30.8.2022, 8 ObA 46/22f)

Auf welche Kriterien kommt es bei der Sozialwidrigkeit an?

Das Verfahren eines U-Bahn-Fahrers und Stationswarts zeigt, wie sehr die gesamte wirtschaftliche und soziale Lage von Gekündigtem und Familienangehörigen einzubeziehen ist, nämlich das Familieneinkommen, die Gesamtausgaben, das Alter der gekündigten Person, die Dauer der Beschäftigung. Hier kam der OGH zu dem Ergebnis, dass der im Zeitpunkt seiner Kündigung erst 33-Jährige ohne Sorgepflichten nach circa fünfjährigem Dienstverhältnis noch keinen Kündigungsschutz genießt. Dass er seine spezifische Ausbildung zum U-Bahn-Fahrer und Stationswart woanders nicht verwenden könne, half ihm nicht: Mit einer allenfalls notwendigen Ein- oder Umschulung muss nicht unbedingt eine finanzielle oder sonstige Schlechterstellung im Verhältnis zum bisherigen Arbeitsplatz einhergehen. (OGH 31.8.2022, 9 ObA 88/22i)

Wer führt den Prozess – der Betriebsrat oder die gekündigte Person?

Wenn der Betriebsrat der geplanten Kündigung widerspricht, kann er die Anfechtungsklage auf Verlangen der gekündigten Person innerhalb einer Woche ab Verständigung von der erfolgten Kündigung einbringen. Kommt der Betriebsrat dem Verlangen nicht nach, geht das Klagerecht auf die gekündigte Person über, wofür eine Frist von weiteren zwei Wochen besteht. Wer glaubt, er oder sie bräuchte nur eine Woche zuwarten und hätte dann – wenn der Betriebsrat untätig geblieben ist – selber das Klagerecht, unterliegt einem fatalen Irrtum: Nach dem Widerspruch des Betriebsrates hat die gekündigte Person nur dann die Befugnis, selbst zu klagen, wenn er oder sie den Betriebsrat dazu auffordert und dieser eine Woche lang keine Klage einbringt. Das bloße Zuwarten ohne Aufforderung an den Betriebsrat führt automatisch zum Prozessverlust, so geschehen in OGH 9 ObA 76/22z vom 14.7.2022.

Kann eine Kündigung durch betriebliche Gründe gerechtfertigt sein, wenn es im Konzern passende Jobs gegeben hätte?

Grundsätzlich kann ein Arbeitgeber oder eine Arbeitgeberin gegen eine Anfechtungsklage personenbezogene oder betriebsbedingte Kündigungsgründe einwenden. Wenn sie stark genug sind, kann die Interessenabwägung zu seinen beziehungsweise ihren Gunsten ausfallen und die Anfechtungsklage abgewiesen werden. Betriebsbedingte Kündigungsgründe können aber nur vorliegen, wenn Arbeitgebende ihrer sozialen Gestaltungspflicht nachgekommen sind, also alle Möglichkeiten ausgeschöpft haben, ihre bisherigen Arbeiternehmer und Arbeitnehmerinnen zu beschäftigen. Diese Pflicht geht aber nicht so weit, dass konzernweit ein anderer Einsatz gesucht werden müsste. Ein Kärntner Fall zeigt, wie sehr es dem Unternehmen im Prozess helfen kann, wenn es dennoch alles – sogar konzernweit – versucht, um der zu kündigenden Person einen anderen Arbeitsplatz anzubieten: Der Betriebsstandort musste nach Wegfall des Hauptkunden geschlossen werden, es folgte die Kündigung des Klägers. Der war schon früher auch mit Vertriebsagenden für eine deutsche Konzerngesellschaft betraut worden, allerdings wurde auch diese Vertriebsschiene stillgelegt. Andere freie Stellen im Konzern, für die er qualifiziert gewesen wäre, bestanden nicht. Seine Kündigungsanfechtung blieb daher erfolglos. (OGH 31.8.2022, 9 ObA 61/22v) (Kristina Silberbauer, 6.10.2022)

https://www.derstandard.at/story/2000139414472/neue-ogh-entscheidungen-zu-sozialwidrigen-kuendigungen