Streitigkeiten in Zusammenhang mit Elternteilzeit schaffen es selten bis zum Obersten Gerichtshof (OGH). Anders im Fall einer plastischen Chirurgin, die während der Elternteilzeit ihre eigene Ordination eröffnete und daraufhin trotz Elternteilzeit – ohne Gerichtsverfahren – gekündigt wurde (OGH 14.09.2021, 8 ObA 55/21b).

Selbständige Tätigkeit neben dem Job

Nach sieben Jahren Anstellung als plastische Chirurgin an einer Universität wurde die Ärztin Mutter und arbeitete in Elternteilzeit weiter. Etwa einen Monat nach Antritt der Elternteilzeit eröffnete sie ihre eigene Ordination, hochoffiziell mit Webseite beworben. Ein paar Tage danach gab sie der Personalabteilung die Nebentätigkeit – „plastisch-chirurgische und ästhetische Behandlungen“ als „selbstständige Tätigkeit“ – bekannt, das war im November 2018.

Sowohl der Rektor als auch der Leiter der Organisationseinheit, der die Ärztin zugewiesen war, wussten ab Dezember, dass sie nunmehr auch diese selbstständige Nebentätigkeit ausübt.

Es folgten Mitarbeitergespräche mit dem Rektor der Universität und ihrem unmittelbaren Vorgesetzten zum Thema „Untersagung der beantragten Nebenbeschäftigung durch das Rektorat„, die sich bis in den März des Folgejahrs zogen. Sie nützten offensichtlich nichts: Im Juni wurde die Mitarbeiterin gekündigt, ohne das für die Kündigung von Personen in Elternteilzeit grundsätzlich vorgesehene Gerichtsverfahren. Sie klagte auf Feststellung, dass ihr Arbeitsverhältnis ungeachtet der Kündigung fortbesteht.

Kündigungserleichterung im Mutterschutzgesetz

Der Arbeitgeber berief sich auf § 15n Abs 3 Mutterschutzgesetz: Nimmt die Arbeitnehmerin während der Teilzeitbeschäftigung ohne Zustimmung des Arbeitgebers eine weitere Erwerbstätigkeit auf, kann der Arbeitgeber die Kündigung aussprechen, ohne die vorherige Zustimmung des Gerichts einholen zu müssen. Dafür hat er allerdings nur acht Wochen ab Kenntnis der Nebenbeschäftigung Zeit.

Im vorliegenden Fall war die Universität mit der Kündigung freilich viel zu spät dran, wussten doch ihre Vertreter seit Monaten von der Nebentätigkeit. Der Arbeitgeber argumentierte damit, dass die Tätigkeit der Klägerin die gemeldete Nebenbeschäftigung sprengte beziehungsweise unzulässige Konkurrenz darstellt, weil sie auch in privaten Spitalseinrichtungen operierte. Das sahen die Gerichte anders: Die selbstständige Tätigkeit einer praktizierenden Chirurgin umfasst auch Operationen, die nicht im niedergelassenen Bereich, sondern nur in stationären Einrichtungen (Krankenhäusern) durchgeführt werden können.

Zeitfenster verpasst

Alle drei Instanzen gaben der Mutter recht: Das achtwöchige Kündigungsfenster des § 15n MSchG war zum Zeitpunkt der Kündigung bereits wegen Zeitablaufs „geschlossen“ und die Kündigung daher ohne Zustimmung des Gerichts unzulässig.

Wer sich als Arbeitgeber auf die Kündigungserleichterung des § 15n MSchG berufen möchte, muss daher schnell sein. Umgekehrt sind Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Elternteilzeit gut beraten, eine geplante Nebentätigkeit rechtzeitig genehmigen zu lassen – sonst könnte der Plan gewaltig schiefgehen. (Kristina Silberbauer, 18.11.2021)

https://www.derstandard.at/story/2000131184623/nebenbeschaeftigung-in-der-elternteilzeit-eine-heikle-sache