Eine neue Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH, 16.9.2020, 7 Ob 86/20b) liest sich so, als ob alle Consultants, die eine dauernde Beratungsleistung, aber keinen Erfolg schulden beziehungsweise kein Erfolgsrisiko tragen, echte Dienstnehmer wären – was erhebliche finanzielle Folgen haben und eine Vertragsbeendigung erschweren kann. Die Abgrenzung trifft in dieser Allgemeinheit aber ohnehin nicht zu.
Eine Beraterin hatte zur Aufgabe, die Wartungsintervalle an bestimmten Gasmotoren des Auftraggebers zu optimieren. Konkretes Ziel war die Verlängerung der Intervalle auf 8.000 Betriebsstunden. Das Entgelt bemaß sich nach der Anzahl der optimierten und verkauften Motoren. Gestritten wurde über diese Entgeltansprüche der Beraterin, nachdem ihr Auftraggeber von dem vertraglich vereinbarten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Die Auslegung des Consultingvertrags durch den OGH ergab, dass die Voraussetzungen für die Vergütung nicht vorlagen beziehungsweise nicht bewiesen werden konnten, weshalb die Beraterin das Verfahren verlor.
Entscheidung des OGH
In der Einleitung dieser Entscheidung führt der OGH Folgendes aus:
Consultant als Dienstnehmer
„Einem Consultingvertrag kommt allein dienstvertragliche Rechtsnatur zu, wenn er tätigkeitsbezogen auf die Beratungsleistung als solche, auf das Wirken und die Arbeitsleistung des Consultants, ausgerichtet ist. Dieser schuldet theoretisch-analytische und praktisch-kreative Geistestätigkeit und muss die gefundenen Problemlösungen seinem Auftraggeber darlegen und vermitteln; ein Erfolgsrisiko trifft ihn nicht.“
Consultant als Werkunternehmer
Demgegenüber komme laut OGH einem Consultingvertrag rein werkvertragliche Rechtsnatur zu, wenn er erfolgsbezogen auf die Herbeiführung eines wertschöpfenden Arbeitsergebnisses des Consultants abzielt, das auch unkörperlich sein kann. Hier erfülle der Consultant als Werkunternehmer erst durch den Erfolgseintritt und trägt ein Unternehmerrisiko. Auf den dritten infrage kommenden Vertragstyp, den freien Dienstnehmer, geht die Entscheidung nicht ein.
Im vorliegenden Verfahren stand die Qualifizierung als Werk- oder Dienstvertrag nicht im Vordergrund. In der Praxis kann es aber weitreichende Konsequenzen haben, wenn ein vermeintlich selbstständiger Berater echter Dienstnehmer war oder noch ist: Es sind zum Beispiel Ansprüche auf Urlaub(-sersatzleistung), Entgeltfortzahlung und – bei niedrigem Honorar – Entgeltdifferenzen laut Kollektivvertrag vorstellbar. Ein Dienstverhältnis lässt sich nicht immer so leicht beenden wie die Zusammenarbeit mit einem Selbstständigen; eine Kündigung könnte unter Umständen anfechtbar sein. Es lohnt sich daher, die allgemeinen Aussagen in dieser Entscheidung zu hinterfragen.
Ein Arbeitsvertrag ist mehr
An der Abgrenzung des OGH erstaunt, dass der Arbeitsvertrag nicht allein dadurch definiert ist, dass kein Werk oder kein Erfolg geschuldet ist. Wohl trifft es zu, dass ein Arbeitnehmer nur ein „Bemühen“, aber keinen bestimmten Erfolg schuldet. Ein Arbeitsvertrag im Sinne des § 1151 ABGB setzt aber noch einiges mehr voraus: Die Arbeitsleistungen müssen in „persönlicher Abhängigkeit“ zu erbringen sein. Der Arbeitnehmer ist der „funktionellen Autorität des Arbeitgebers unterworfen“, in seine Organisation eingebunden und unterliegt in Bezug auf Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenes Verhalten seinen Weisungen. Er arbeitet „fremdbestimmt“ (RIS-Justiz RS0021306; 9 ObA 43/20v).
Entscheidend ist dabei, ob diese Merkmale der persönlichen Abhängigkeit nach der tatsächlichen Ausgestaltung der gegenseitigen Rechtsbeziehung überwiegen; insofern tritt der schriftliche Vertrag hinter den tatsächlichen Gegebenheiten zurück.
Daraus folgt: Ein Consultant, der ein eigenes Unternehmen betreibt und einen Auftraggeber selbstständig berät, das heißt, ohne Eingliederung in dessen Organisation und ohne Weisungsunterworfenheit, ist kein Dienstnehmer. Dass er – je nach Auftragsinhalt – nach Zeit („Stundensatz“) honoriert wird und keinen Erfolg und kein bestimmtes Ergebnis schuldet, ändert daran nichts. (Kristina Silberbauer, 22.3.2021)
https://www.derstandard.at/story/2000125087111/arbeiten-consultants-im-werk-oder-dienstvertrag