Eigentlich sollten die Arbeitsmarktaussichten älterer Arbeitnehmer verbessert werden, als ihr erhöhter Kündigungsschutz im Jahr 2017 fiel. Das scheint nicht ganz geklappt zu haben – wie aus einer aktuellen OGH-Entscheidung (9 ObA 86/19s) hervorgeht:

Ein Kranführer focht seine Kündigung wegen Sozialwidrigkeit an. Allerdings war er bei seiner Einstellung schon 58. Nach der damaligen Rechtslage konnte er den vollen Kündigungsschutz erst nach zwei Beschäftigungsjahren erlangen (die er aber noch nicht zurückgelegt hatte). Sein höheres Lebensalter musste daher bei der Prüfung, ob seine Kündigung sozial ungerechtfertigt ist, und auch bei der Einschätzung seiner Arbeitsmarktaussichten nicht „besonders berücksichtigt“ werden (§ 105 Abs 3b ArbVG).

Was bedeutet das nun? Muss im Gerichtsverfahren fingiert werden, der 58-Jährige sei 28? Nicht nach Ansicht des OGH: Das Alter des Arbeitnehmers ist bei der Prüfung der Sozialwidrigkeit „nicht besonders, aber doch zu berücksichtigen“, heißt „nach demselben Maßstab wie bei jüngeren Arbeitnehmer/innen heranzuziehen“. Das bedeute nichts anderes, als dass bei jüngeren und älteren (50+) Arbeitnehmern für die Frage der Wiedereingliederungsschwierigkeiten derselbe Prüfmaßstab – nicht aber dasselbe Alter – angelegt werden soll. Die mit dem jeweiligen Alter zu erwartenden Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dürfen danach nicht zur Gänze ausgeblendet werden.

Diese Richtlinien sind auch für die aktuelle Rechtslage (Novelle BGBl I 2017/37) für Einstellungen älterer Arbeitnehmer ab Juli 2017 und ihre späteren Kündigungen relevant. In Anfechtungsprozessen mit älteren Arbeitnehmern, die nicht mehr den erhöhten Kündigungsschutz für sich beanspruch können, wird deswegen ihr erhöhtes Alter nicht gleich ganz ausgeblendet oder gar hypothetisch geprüft, wie die Arbeitsmarktaussichten „des Klägers in jung“ wären.

Kristina Silberbauer

Rechtsanwältin für Arbeitsrecht